Astronomie

„Morgenstern“ des Kosmos beobachtet

Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt frühesten je abgebildeten Stern

Earendel
Der Pfeil zeigt auf das vergrößerte Abbild von Earendel – dem frühesten je beobachteten Stern. © NASA/ESA/Brian Welch (JHU)/Dan Coe (STScI)/Alyssa Pagan (STScI)

Astronomen ist eine bahnbrechende Beobachtung gelungen: Mit dem Hubble-Weltraumteleskop haben sie einen 12,9 Milliarden Jahre alten Stern fotografiert – den frühesten je direkt beobachteten Stern. Der „Earendel“ – Morgenstern – getaufte Stern strahlte bereits, als das Universum erst 900 Millionen Jahre alt war. Möglich wurde diese Beobachtung, weil eine schwere Vordergrundgalaxie das Licht des fernen Riesen um das mehr als Tausendfache verstärkte, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Als einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne entstanden, beendeten sie das „dunkle Zeitalter“ des Universums. Doch wann und wo diese stellaren Pioniere einst strahlten, ist unklar. Denn die Auflösung der Teleskope reicht nicht aus, um einzelne Sterne aus dieser kosmischen Frühzeit sichtbar zu machen. Astronomen konnten daher allenfalls indirekt über das Lichtspektrum früher Galaxien oder leuchtender Gaswolken auf ihre Existenz schließen.

Earendel 2
Der Earendel getaufte Stern liegt genau auf der Linie der optimalen Vergrößerung. © NASA/ESA/Brian Welch (JHU)/Dan Coe (STScI)/Peter Laursen (DAWN)

Ein kosmischer Glücksfall

Doch das hat sich nun geändert – dank eines kosmischen Glücksfalls. Denn eine Vordergrundgalaxie hat sich so vor eine sehr weit entfernte Galaxie geschobene, dass ihre Schwerkraft wie eine starke Linse wirkte. Das hat es einem Team um Brian Welch von der Johns Hopkins University in Baltimore ermöglicht, erstmals einen einzelnen Stern oder Doppelstern aus der Frühzeit des Kosmos direkt zu beobachten.

Die Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops blickt 12,9 Milliarden Jahre zurück. „In diesen Entfernungen gleichen normalerweise schon Galaxien bloßen Lichtflecken, die das Licht von Millionen Einzelsternen in sich vereinen“, erklärt Welch. „Aber die Galaxie, die diesen Stern beherbergt, wurde durch die Gravitationslinse vergrößert und zu einem langen Bogen verzerrt, den wir als Sunrise Arc getauft haben.“

Der mit Abstand früheste je gesehene Stern

Inmitten dieses schwach leuchtenden Bogens sticht ein Lichtpunkt deutlich heraus – er stammt von einem einzelnen Stern oder Doppelsternsystem. Dieser Stern steht in einer Position, in der die schwerkraftbedingte Delle der Raumzeit sein Licht besonders stark verstärkt und vergrößert. Dadurch entfaltet die Gravitationslinse für diesen Stern eine maximale Vergrößerung und verstärkt sein Licht um das 1.000- bis 40.000-Fache, wie die Astronomen errechnet haben.

Erstmals macht dies eine Stern aus einer so gewaltigen Entfernung direkt sichtbar. „Wir konnten es fast nicht glauben, weil er so viel weiter weg liegt als der bisher entfernteste bekannte Stern“, sagt Welch. Der neuentdeckte Stern strahlte bereits 900 Millionen Jahre nach dem Urknall und hat eine Rotverschiebung von 6,2. Er ist damit der Abstand der früheste je beobachtete Stern im Universum.

„Morgenstern“ des Kosmos

Die Astronomen haben den Stern Earendel getauft – nach dem altenglischen Wort für Morgenstern. Aus ihren Beobachtungen schließen sie, dass dieser Stern 50- bis 100-mal so massereich gewesen sein muss wie die Sonne und rund eine Million Mal leuchtstärker als sie. Die Temperatur auf Earendels Oberfläche könnte mit 8.000 bis 60.000 Kelvin ebenfalls weit höher gewesen sein als die unseres Heimatsterns.

Besonders spannend für die Astronomie ist jedoch die Zusammensetzung dieses frühen Sterns: „Earendel existierte vor so langer Zeit, dass er nicht die gleichen Rohmaterialien hatte wie die heutigen Sterne“, sagt Welch. Denn der größte Teil der chemischen Elemente entstand erst im Laufe der Zeit durch die Kernfusion im Inneren früher Sterne und ihre Supernovae. Astronomen gehen daher davon aus, dass die erste Generation der Sterne nur aus Wasserstoff und Helium bestand – den schon im Urknall gebildeten Elementen.

Woraus bestand Earendel?

Sollte Earendel tatsächlich nur aus Wasserstoff und Helium bestehen, dann könnte er sogar ein Vertreter der legendären Population-III-Sterne sein – der ersten Sternengeneration nach dem Urknall. Allerdings halten das auch Welch und seine Kollegen für nicht sehr wahrscheinlich. Denn gerade sehr massereiche Sterne haben nur eine kurze Lebensdauer und rund 900 Millionen Jahre nach dem Urknall müsste diese erste Sternengeneration daher schon explodiert sein.

Dennoch könnte Earendel wertvolle Erkenntnisse über die ersten Sterne im Universum liefern. „Earendel zu untersuchen, wird uns ein Fenster in eine Ära des Kosmos öffnen, über die wir bisher kaum etwas wissen, die aber die Grundlage bildete für alles, was wir heute kennen“, erklärt Welch. „Das ist vergleichbar mit einem spannenden Buch, bei dem aber das erste Kapitel fehlte. Erst jetzt haben wir eine Chance zu erfahren, wie alles begann.“

So haben die Astronomen Earendel aufgespürt.© NASA/ Goddard

James-Web-Teleskop wird mehr Informationen liefern

Die Chance für nähere Studien von Earendel könnten die Astronomen schon in diesem Sommer bekommen. Denn dann nimmt das James-Webb-Weltraumteleskop seinen wissenschaftlichen Betrieb auf. Seine hochauflösenden Infrarot-Optiken sind besonders gut dafür geeignet, das Licht so früher Sterne einzufangen und spektroskopisch zu analysieren.

„Mit dem James-Webb-Teleskop können wir dann eindeutig bestätigen, dass Earendel tatsächlich ein Stern ist und seine Helligkeit und Temperatur genauer messen“, erklärt Koautorin Sune Toft vom Niels-Bohr-Institut an der Universität Kopenhagen. Dadurch können die Astronomen dann genauer bestimmen, was für ein Sternentyp Earendel war. Die Erforschung dieses stellaren Pioniers hat gerade erst begonnen. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04449-y)

Quelle: Space Telescope Science Institute (STScI), University of Copenhagen

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