Die Zusammensetzung der interstellaren Wolken, feinen Gas- und Staubschleiern zwischen den Sternen, ist noch immer ungeklärt. Jetzt aber haben amerikanische Astronomen entdeckt, dass ein Teil der bisher nicht zuzuordnenden Banden im Infrarotspektrum der Wolken durch protoniertes Naphtalen erzeugt wird – die gasförmige und durch einen Wasserstoffkern ergänzte Variante des Mottenkugel-Moleküls. Dieses für das Verständnis der Materieverteilung wichtige Ergebnis ist jetzt im „Astrophysical Journal“ erschienen.
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Interstellare Materie, feine Gas- und Staubmengen zwischen den Sternen einer Galaxie, macht zwar nur wenige Prozent der Gesamtmasse im Universum aus, für die Astrophysik aber spielt sie eine wichtige Rolle. Nur wenn ihre Zusammensetzung und Dichte bekannt ist, können beispielsweise die durch sie verursachten Verzerrungen und Verfärbungen in Spektralanalysen des Lichts ferner Sterne herausgerechnet werden. Doch von den meisten interstellaren Wolken kennen die Astronomen die genaue Zusammensetzung nicht. Viele von ihnen erzeugen im Infrarotspektrum spezifische Muster, die als unidentifizierte Infrarotbanden (UIR) bezeichnet werden, da nicht bekannt ist, welche Moleküle sie erzeugen.
Mottenkugel-Molekül plus ein Wasserstoffkern
Jetzt aber haben Wissenschaftler der Universität von Georgia fast schon durch Zufall ein Molekül entdeckt, das diesen rätselhaften Infrarotspektren genau entspricht. „Das Ganze kam heraus, weil wir bei uns im Labor eine Methode gefunden haben, um protonierte Naphtalen-Ionen zu erzeugen“, erklärt Michael Duncan, Professor für Chemie an der Universität von Georgia. „Das ermöglichte es uns, dessen Infrarotspektrum zu untersuchen. Und es stellte sich heraus, dass dieses nahezu perfekt den Hauptkomponenten in den unidentifizierten Infrarotbanden entsprach.“
Auf der Erde kennen die meisten Menschen Naphtalen in seiner kristallinen Form, C10H8, bestehend aus zehn Kohlenstoff- und acht Wasserstoffatomen. Sein Spektrum sieht völlig anders aus als die UIR-Banden. Doch Duncan und seine Kollegen kamen auf die Idee, diese Verbindung mit einem zusätzlichen Proton, dem positiv geladenen Kern eines Wasserstoffatoms, zu versehen. Und tatsächlich, das Infrarotspektrum von C10H9+ passte perfekt zu den interstellaren Banden
Hinweis auf weitere interstellare polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
Ganz unerwartet ist die Entdeckung von Naphtalen als Teil der UIRs nicht, denn der Mottenkugel-Stoff besteht immerhin aus zwei der häufigsten Elemente in den interstellaren Wolken: Wasserstoff und – mit einigem Abstand dahinter – Kohlenstoff. Spannend ist die Entdeckung jedoch vor allem deshalb, weil das protonierte Naphtalen zu einer Gruppe von ringförmigen Verbindungen gehört, den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), die eine wichtige Rolle in den interstellaren Wolken spielen könnten.
„Protoniertes Naphtalen allein erklärt noch nicht alle UIR-Spektren“, so Duncan. „Aber die Charakteristiken seines Spektrums deuten darauf hin, dass eine Ansammlung von größeren PAKs dies tun könnte. Die gleichen Spektraländerungen, die die Protonierung bei Naphtalen verursacht haben würden vermutlich auch bei den größeren Systemen zum Rest der UIRs führen – und damit eines der ältesten Rätsel der Astronomie lösen.“
Duncan und sein Team arbeiten nun daran, auch diese größeren Kohlenwasserstoffe im Labor zu erzeugen, zu protonieren und ihre Spektren zu analysieren. Mit ihrer Entdeckung eines ersten Puzzleteils eröffnen sie neue Möglichkeiten in der Entschlüsselung der interstellaren Wolken und der Materieverteilung im Universum.
(University of Georgia, 04.09.2009 – NPO)