Umwelt

Nachthimmel wird rapide heller

Streulicht durch Lichtverschmutzung nimmt jährlich um fast zehn Prozent zu

Lichtverschmutzung
Die Milchstraße ist heute von immer weniger Orten aus sichtbar, denn die Lichtverschmutzung nimmt weiter rasant zu. © NOIRLab/NSF/AURA, P. Marenfeld

Kaum noch Sterne sichtbar: Die Lichtverschmutzung hat sich in den letzten zehn Jahren weiter verschlimmert, wie ein Citizen-Science-Projekt enthüllt. Demnach nimmt die nächtliche Himmelshelligkeit weltweit um rund 9,6 Prozent pro Jahr zu – dies ist deutlich mehr als aufgrund von Satellitendaten angenommen. Eine der Ursachen dafür könnte die zunehmende Umstellung auf LEDs mit kurzwelligerem Licht sein, wie das Team in „Science“ berichtet.

Der Mensch macht die Nacht zum Tage: Die Beleuchtung von Straßen, Gebäuden und Industrieanlagen hellt nicht nur die Umgebung, sondern auch den Nachthimmel auf. Dadurch ist die Nacht fast nirgendwo auf der Welt noch richtig dunkel, rund 80 Prozent der Menschheit leben unter einem unnatürlich aufgehellten Nachthimmel. Selbst Teleskope an dunklen, entlegenen Standorten haben inzwischen mit der Lichtverschmutzung zu kämpfen.

CAlgary
Viele Städte, hier das nächtliche Calgary, sind heute vom eher weißlichen LED-Licht geprägt. © Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA/JSC, Georeferenzierung GFZ

Haben Maßnahmen etwas gebracht?

Dies hat Auswirkungen auf die Astronomie, aber auch auf unsere Gesundheit und die Natur: Es stört unter anderem die Fortpflanzung, den Beutefang und die Migration vieler Tiere und die Bestäubung von Pflanzen durch nachtaktive Insekten. In vielen Ländern wurden deshalb bereits Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung eingeführt – Straßenlaternen sind stärker abgeschirmt, außerdem wurden viele orange leuchtende Natriumdampflampen durch sparsamere LED-Lampen ersetzt.

Ob diese Maßnahmen jedoch das Streulicht verringert haben, war bisher unklar – denn es lässt sich nur schwer messen. „Die einzigen Satelliten, die zurzeit die gesamte Erde in Bezug auf Streulicht überwachen können, haben eine begrenzte Auflösung und Sensitivität und können kein Licht mit Wellenlängen unterhalb von 500 Nanometern detektieren“, erklären Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und seine Kollegen. Dadurch entgeht den Satelliten das kurzwelligere Licht der weißen LEDs.

„Globe at Night“: Wie viele Sterne siehst du am Himmel?

Doch es gibt eine Alternative: das seit 2006 laufende Citizen-Science-Projekt „Globe at Night“. In ihm beobachten Freiwillige den Nachthimmel und geben dann in einer App oder einem Online-Formular an, welche von acht Sternkarten am besten zu dem passt, was sie am Himmel sehen. Die Karten zeigen den Himmel bei verschiedenen Graden an Lichtverschmutzung und mit dementsprechend mehr oder weniger sichtbaren Sternen. „Die Beiträge der einzelnen Menschen wirken zusammen wie ein globales Sensornetz, das uns einen ganz neuen Forschungsansatz ermöglicht“, sagt Kyba.

Für ihre Studie haben er und sein Team nun die Daten von mehr als 51.000 solcher bei wolkenlosem Himmel gemachten Beobachtungen aus der Zeit von 2011 bis 2022 ausgewertet. Sie repräsentieren 19.262 Standorte weltweit, davon ein Großteil in Nordamerika und Europa. Aus diesen Daten und ergänzend einem globalen Modell ermittelten die Forscher die Himmelshelligkeit und ihre Veränderung in den letzten Jahren.

Stärkere Helligkeitszunahme als gedacht

Das Ergebnis: Das nächtliche Streulicht hat nicht abgenommen, sondern sich in den letzten zehn Jahren weiter dramatisch verstärkt. In Europa hat die diffuse Himmelshelligkeit in der Nacht um rund 6,5 Prozent pro Jahr zugenommen, in Nordamerika sind es sogar 10,4 Prozent, wie die Daten enthüllten. Im weltweiten Durchschnitt liegt die Zunahme des Streulichts bei jährlich rund 9,6 Prozent. Das ist fast fünfmal mehr als bislang über Satellitenmessungen ermittelt.

Vor allem in dicht besiedelten Regionen werden die Nächte demnach rapide heller – der Sternenhimmel wird zusehends überstrahlt. „Das bedeutet, dass sich im Verlauf einer Kindheit von 18 Jahren der nächtliche Himmel um den Faktor vier erhellt“, erklären Kyba und seine Kollegen. „Wenn die Entwicklung so fortschreitet, wird ein Kind, das an einem Ort mit 250 sichtbaren Sternen geboren wurde, dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können.“

Kurzwellige LEDs stören mehr

Das Team führt den Unterschied zwischen den Beobachtungsdaten und Satellitenmessungen auf mehrere Faktoren zurück. Das eine ist die Ausbreitungsrichtung des Streulichts: „Satelliten reagieren am empfindlichsten auf Licht, das nach oben gen Himmel gerichtet ist“, erklärt Kyba. „Aber es ist horizontal abgestrahltes Licht, das den größten Teil des Himmelsleuchtens ausmacht. Wenn also Werbung und Fassadenbeleuchtungen häufiger, größer oder heller werden, könnten sie einen großen Einfluss haben, ohne dass sich das auf den Satellitenbildern entsprechend widerspiegelt.“

Ein zweiter Faktor ist die Umstellung von Natriumdampflampen auf LEDs: „Weil menschliche Augen nachts empfindlicher auf kurzwelliges Licht reagieren, haben LEDs einen großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Himmelshelligkeit“, so Kyba. „Das könnte daher ebenfalls ein Grund für die Diskrepanz zwischen Satellitenmessungen und den Beobachtungen im Rahmen von ‚Globe at Night‘ sein.“

Mitmachen: „Globe at Night“ geht weiter

Aus ihren Ergebnissen ziehen die Forschenden zwei wesentliche Schlüsse: Zum einen hat sich die Lichtverschmutzung des Nachthimmels trotz – oder vielleicht auch wegen – des Umstiegs auf LEDs weiter rapide verschlimmert. „Und zum anderen konnten wir demonstrieren, dass die Citizen-Science-Daten eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Messverfahren darstellen“, so Kyba. Er und sein Team hoffen, dass sich künftig noch mehr Menschen am „Globe at Night“-Projekt beteiligen.

Denn gerade aus ärmeren und weniger dicht besiedelten Regionen der Erde gibt es bisher nur wenige Daten. „Hätten wir eine breitere Beteiligung, könnten wir Trends für andere Kontinente und möglicherweise sogar für einzelne Staaten und Städte ermitteln“, sagt Koautorin Constance Walker vom NOIRLab in Arizona. „Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, also schauen Sie heute Abend ruhig mal rein und sagen Sie uns, was Sie sehen!“ (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abq7781)

Quelle: National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab), Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

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