Vierpolig, gekippt und chaotisch: Das Magnetfeld des Planeten Neptun ist noch bizarrer als bisher angenommen. Und es scheint einigen Vorstellungen zum Funktionieren solcher planetaren Magnetosphären zu widersprechen. Das jedenfalls schließen Forscher aus einem neuen Modell, das auf Daten der Voyager 2-Sonde und plasmaphysikalischen Grundlagen beruht. Weiterhin rätselhaft bleibt allerdings, woher der Neptun überhaupt sein Magnetfeld hat.
Als die Raumsonde Voyager 2 1989 am Neptun vorbeiflog, sorgten ihre Daten für Aufsehen und ziemliches Rätselraten. Denn sie enthüllten ein extrem ungewöhnliches Magnetfeld um den Eisplaneten. Während das Magnetfeld der Erde zwei Pole besitzt, die in der Nähe der Rotationsachse des Planeten liegen, ist das Feld des Neptun sehr viel chaotischer. Es besitzt nicht nur gleich vier magnetische Pole, das Magnetfeld ist auch um 47° gegen die Rotationsachse des Planeten verschoben.
Auf die Seite gekippt
„Stellen Sie sich vor, Sie würden die Erde auf die Seite kippen und dann ihren magnetischen Nordpol nach Mitteleuropa verschieben – dann würden Sie eine erste Ahnung davon bekommen, wie das Magnetfeld des Neptun aussieht“, erklärt Adam Masters vom Imperial College London. Weil seit Voyager keine Sonde dem Eisplaneten mehr nahe gekommen ist – und auch kein Besuch in Aussicht ist – sind die Planetenforscher auf physikalische Modelle und Simulationen angewiesen, um dieses merkwürdige Magnetfeld zu erklären.
Masters und seine Kollegen haben für ihre Studie eine Simulation genutzt, mit der normalerweise das physikalische Verhalten von Plasma im Labor modelliert wird. Plasma entsteht, wenn Gas so stark aufgeheizt wird, dass sich die Atomkerne von den Elektronen trennen und so geladene Teilchen entstehen. Weil die Bewegung der Plasmateilchen auch ein Magnetfeld erzeugt, konnten die Forscher damit und auf Basis der Voyager-Daten das Verhalten des Neptun-Magnetfelds nachbilden.
„Besonders ungezogen“
Wie sich zeigte, ist das Magnetfeld des Neptun erheblich chaotischer als bisher angenommen. Selbst das noch einigermaßen geordnete Quadrupol-Feld, auf das die Forscher aus den Voyager-Daten geschlossen hatten, könnte die Realität nicht treffen. „Der Neptun ist in dieser Hinsicht besonders ungezogen“, sagt Masters. „Seine seltsamen Eigenschaften widersprechen unseren grundlegenden Vorstellungen darüber, wie Magnetosphären funktionieren.“
Die Simulation zeigt, dass die Teilchenströme der fernen Sonne selbst in diesen Außenbereichen des Sonnensystems noch erhebliche Störfaktoren für die planetaren Magnetfelder sind. „Wir können sehen, wie der Sonnenwind in das Neptun-Magnetfeld eintritt und in ihm zirkuliert“, sagt Masters. „Erst die Kombination aus der ungewöhnlichen Planetenrotation und diesem Zirkulationsmuster lässt das schiefe Magnetfeld entstehen, das Voyager 2 schon beobachtete.“
Dynamo des Magnetfelds noch unbekannt
„Einen ganzen Planeten zu modellieren ist keine einfache Aufgabe“, sagt Masters. „Aber Supercomputer machen es heute möglich und die Simulationen können immerhin einiges erklären, was Voyager vor Jahren sah.“ Die neuen Modelle, die die Forscher jetzt auf der Jahrestagung der Royal Astronomical Society in Llandudno vorstellten, könnten vielleicht auch dabei helfen, die Eigenschaften die vielen bisher entdeckten neptungroßen Exoplaneten zu verstehen.
Eine grundlegende Frage allerdings kann auch das neue Modell bisher nicht klären: Wie das Magnetfeld des Neptun und seinem Nachbarn Uranus überhaupt erzeugt wird. Denn im Gegensatz zur Erde fehlt dem Neptun ein leitfähiger, flüssiger äußerer Kern, wie ihn die Erde als Dynamo ihres Magnetfelds besitzt. Ob stattdessen der Mantel in Teilen flüssig ist oder aber doch ein Teil des kleinen Kerns, darüber kann bisher nur spekuliert werden.
(Royal Astronomical Society (RAS), 08.07.2015 – NPO)