Astronomie

Neuartige Sonnenwellen geben Rätsel auf

Hochfrequente Plasmawellen lassen sich mit keinem bisher bekannten Mechanismus erklären

Sonnenwellen
Entlang des Sonnenäquators haben Astronomen ein Wirbelband entdeckt, das gängige Modelle nicht erklären können. © NYU Abu Dhabi

Unerklärliche Wirbel: Astronomen haben eine neue Art von Wellen auf der Sonne entdeckt, die sich durch gängige Modelle nicht erklären lassen. Die hochfrequenten Wellen erzeugen asymmetrische Wirbel in Äquatornähe und rasen gegen die Rotationsrichtung um unseren Stern. Dabei bewegen sie sich dreimal schneller als bisher bekannte Wellen mit vergleichbarer Phase, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten. Ihre Ursache ist völlig unbekannt.

Oberfläche und Innenleben unserer Sonne sind von einer Vielzahl an Strömungen und Wellen geprägt. Zu ihnen gehören wellenartige Instabilitäten im lokalen Plasma, aber auch die riesigen wirbelförmigen Rossby-Wellen und zwei enorme Umwälzströmungen im tiefen Sonneninneren. Sie entstehen durch die Temperaturunterschiede im Sonneninneren, aber auch durch komplexe Wechselwirkungen des Plasmas mit dem solaren Magnetfeld, der Sonnenrotation und der Schwerkraft.

Ein Band aus rotierenden Wirbeln

Doch jetzt haben Forscher um Chris Hanson von der New York University in Abu Dhabi eine zuvor unbekannte Wellenform auf der Sonne entdeckt, die sich den gängigen Erklärungen entzieht. Für ihre Studie hatten sie Langzeitdaten zweier Sonnenobservatorien in Form von Doppler-Aufnahmen aus 24 Jahren ausgewertet. Diese Daten machen anhand spektraler Analysen stellare Vibrationen und Bewegungen des Plasmas auf der Sonnenoberfläche sichtbar.

Dabei identifizierten die Astronomen entlang des solaren Äquators einen neuen Typ von Plasmawellen. Dieser zeigt sich in einem um die gesamte Sonne ziehenden Band aus Wirbeln. Diese Wirbel rotieren abwechselnd im und gegen den Uhrzeigersinn und liegen beiderseits des Äquators. Die einander dort gegenüberliegenden Wirbel sind jeweils antisymmetrisch, wie das Team berichtet.

Schneller als die Theorie erlaubt

Auffallend auch: Die neuentdeckten Sonnenwirbel wandern entgegen der Rotationsrichtung der Sonne um den Stern. Dabei entspricht ihre Phase zwar der der schon bekannten Rossby-Wellen, die Wirbel bewegen sich aber dreimal so schnell um die Sonne wie diese. „Die klassische hydrodynamische Rossby-Wellen-Theorie kann diese äquatorialen, retrograden Hochfrequenzwellen (HFR) nicht erklären“, konstatieren Hanson und seine Kollegen.

Was aber ist dann die Ursache dieser Wellen? „Theoretisch wäre es möglich, dass die Kopplung der Rossby-Wellen zu anderen Phänomenen zu einer solchen Erhöhung der Phasengeschwindigkeit führt“, erklären die Forscher. „Wir haben daher drei der plausibelsten Kandidaten für eine solche Wechselwirkung näher untersucht.“ Sie umfassen eine Interaktion von Rossby-Wellen mit dem solaren Magnetfeld, eine Wechselwirkung mit der Sonnenschwerkraft oder aber einen kombinierten Effekt von hitzebedingten Plasma-Aufströmen und der rotationsbedingten Corioliskraft.

Kein Zusammenhang mit Magnetfeld, Schwerewellen oder Coriolis-Kraft

Doch in allen drei Fällen konnten die Astronomen keinen Zusammenhang zu den retrograden Hochfrequenzwellen finden. Wie sie erklären, müssten sich bei einer Rossby-Magnetfeld-Kopplung Schwankungen durch den Sonnenzyklus bemerkbar machen. Doch in den gut zwei solcher Zyklen umfassenden Daten gab es dafür keine Hinweise. Schwerewellen wiederum müssten beiderseits des Äquators symmetrisch sein, was aber bei den HFR-Wellen nicht der Fall ist.

Schon ähnlicher wären die Wirbel, die durch die Wirkung der Corioliskraft auf geschichtete Körper auftreten: „Sie bilden äquatorial antisymmetrische vertikale Säulen, die sich an der Sonnenoberfläche in Form von nördlich und südlich gegenläufig rotierenden Wirbeln zeigen würden“, erklären die Forscher. „Genau das sehen wir auch für die retrograden Hochfrequenzwellen.“ Allerdings sagen die meisten Modelle eine prograde Bewegung solcher Wirbel voraus – also mit der Sonnenrotation statt dagegen.

„Ein echtes Mysterium“

Damit passen die neuentdeckten Sonnenwellen in keine der gängigen Kategorien: „Die HFR-Wellen gehe offenbar auf keinen der untersuchten Prozesse zurück“, sagt Hanson. „Das wirft einen ganzen Satz neuer Fragen auf.“ Offensichtlich gebe es in den Standardmodellen der Sonnenphysik fehlende oder ungenügend definierte Zutaten. Als nächstes sollte nun untersucht werden, ob es Parameter in den bekannten Gleichungen gibt, die die rätselhaften Wirbel vielleicht doch erklären können.

„Die bloße Existenz dieser HFR-Moden und ihre Ursache sind ein echtes Mysterium“, sagt Hansons Kollege Shravan Hanasoge. „Dies könnte auf spannende physikalische Effekte hindeuten und ein neues Licht auf die Vorgänge in dem für uns unsichtbaren Inneren der Sonne werfen.“ (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01632-z)

Quelle: New York University

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