Charakteristische Rippel: Der chinesische Marsrover Zhurong hat neue Belege für die Existenz eines Ozeans auf dem Mars gefunden. Nahe der Küste des ehemaligen Nordmeeres zeigten seine Multispektralaufnahmen Fließspuren und Rippel im Sediment, wie sie typischerweise durch das vor und zurück strömende Wasser einer Gezeitenzone entstehen. Die Lage dieser urzeitlichen Standzone spricht dafür, dass das Marsmeer zu dieser Zeit schon stark geschrumpft war.
Der Mars war in seiner Frühzeit nicht nur deutlich wärmer und feuchter als heute. Bis vor rund 3,5 Milliarden Jahren waren seine nördlichen Tiefebenen auch von einem flachen Ozean bedeckt. Dieses marsianische Nordmeer könnte rund 20 Prozent der Planetenoberfläche bedeckt haben – etwa so viel wie der Atlantik auf der Erde. 2022 entdeckten Planetenforscher in diesem Gebiet sogar Hinweise auf einen Megatsunami, der noch vor 3,4 Milliarden Jahren die Marsküsten überflutete.
Fahrt über alten Meeresgrund
Alle Indizien zum Marsozean stammten jedoch nur von Orbitersonden, Belege von vor Ort standen noch aus. Diese hat nun der chinesische Marsrover Zhurong geliefert. Im Mai 2021 war der Rover im südlichen Utopia Planitia, rund 500 Meter unterhalb und 280 Kilometer nördlich der urzeitlichen Küstenlinie des Marsozeans gelandet. Seither ist Zhurong in Richtung der alten Küstenlinie unterwegs und überquert dabei die sogenannte Vasitas Borealis Formation (VBF), das Sediment, das einst Teil des alten Meeresgrunds war.
Auf seinem Weg erreichte der Marsrover auch ein Gebiet, in dem die Oberfläche auffallende Spuren urzeitlicher Wassereinwirkung aufwies: Das Sedimentgestein zeigte parallele Schichtungen mit linsenförmigen Strömungsmustern und kleineren Kanälen und Ablagerungen. Mithilfe von Multispektralaufnahmen seiner Kamera haben Long Xiao vom Planetenforschungsinstitut der Geowissenschaftlichen Universität in Wuhan und seine Kollegen 23 dieser Formationen und Gesteinsmuster näher untersucht.
Strömungsmuster der Gezeitenzone
Die Analysen enthüllten: Die am Südrand von Utopia Planitia entdeckten Erosionsspuren deuten auf Wassereinwirkung aus zwei Richtungen hin. Darin unterscheiden sie sich deutlich von Strukturen, die durch Winderosion oder Flusswasser entstanden sind. „Da die Korngrößen und Ablagerungsdicken auf einer Seite der Rippel größer sind als auf der anderen, spricht dies zudem für eine stärkere Strömung in einer als in die andere Richtung“, berichten die Forschenden.
Auf der Erde kommen solche bidirektionalen Strömungen typischerweise in der Gezeitenzone der Meere vor: Ebbe und Flut und der Wellengang verursachen abwechselnd ein Vor- und Zurückströmen des Wassers. Auch in ihrer Form und Größe ähneln die marsianischen Gesteinsformationen den Strukturen einer flachen Gezeitenzone, wie das Team erklärt. „Dieses Strömungsmuster kommt bei Flüssen nicht vor, ist aber in den flachen Küstengebieten der Erde häufig“, so Xiao und seine Kollegen.
Zeugnis des Wasserverlusts
Nach Angaben der Forscher liefern diese Ergebnisse die bisher überzeugendsten Vor-Ort-Belege für die Existenz eines urzeitlichen Marsozeans. Gleichzeitig liefen sie wertvolle Hinweise auf seine Entwicklung. Denn die jetzt vom Zhurong-Rover beobachteten Gezeitenspuren liegen rund 280 Kilometer von der höchsten Küstenlinie des Marsozeans entfernt. Gleichzeitig stammen sie aber aus der Zeit vor weniger als 3,6 Milliarden Jahren, als das urzeitliche Marsmeer wahrscheinlich schon erheblich geschrumpft war. Diese späte Phase wird auch als Deuternilus-Ozean bezeichnet.
„Die Position des Zhurong-Rovers bei diesen Beobachtungen spricht dafür, dass diese Sedimentstrukturen in einer Phase des Wasserrückgangs entstanden sind, als der Nordozean Wasser verlor und allmählich verschwand“, berichten die Wissenschaftler. (National Science Review, 2023; doi: 10.1093/nsr/nwad137)
Quelle: Science China Press