Immer weiter zurück: Astronomen haben eine Galaxie entdeckt, die schon 290 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte – so früh wie keine andere bisher bekannte. Das Spektrometer des James-Webb-Teleskops ermittelte für die JADES-GS-z14-0 getaufte Galaxie eine Rekord-Rotverschiebung von 14.32. Erstaunlich auch: Diese frühe Sternansammlung war schon überraschend groß und sternenreich. Dies widerspricht gängigen Erwartungen zum Galaxienwachstum im frühen Kosmos und wirft einige Fragen auf.
Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) eröffnet der Astronomie ganz neue Blicke in die Frühzeit des Kosmos. Dank seiner sensiblen Infrarot-Optiken haben Astronomen schon in den ersten knapp zwei Jahren des Betriebs einen Rekordfund nach dem anderen aus der Zeit wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall machen können. Die Spanne reicht vom frühesten aktiven Schwarzen Loch über den „Morgenstern“ des Kosmos bis hin zu den ältesten Galaxien.
Ferner Lichtpunkt mit seltsamen Merkmalen
Jetzt gibt es einen neuen Rekordhalter bei den frühen Galaxien. Astronomen um Stefano Carniani von der Hochschule Scuola Normale Superiore in Pisa haben eine Galaxie entdeckt, die bereits 290 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte – und damit zu einer Zeit, als gängiger Annahme nach gerade erst die ersten Sterne entstanden. Aufgefallen war diese JADES-GS-z14-0 getaufte Galaxie schon zuvor in Aufnahmen der Nahinfrarotkamera (NIRCam) des Webb-Teleskops.
„Wir haben JADES-GS-z14-0 schon Anfang 2023 in unseren Daten entdeckt und sahen deutliche Hinweise auf eine Rotverschiebung von mehr als z = 14“, berichtet Carniani. „Aber es gab einige Merkmale dieser Lichtquelle, die uns stutzig machten. Denn sie war überraschend hell und einer Vordergrundgalaxie so nahe, dass sie wie Teile eines einzigen Objekts wirkten.“ Um sicherzugehen, dass diese Galaxie wirklich so alt ist wie sie schien, nutzte das Team daher das hochauflösende NIRSpec-Spektrometer am JWST, um JADES-GS-z14-0 zu überprüfen.
Rekord-Rotverschiebung von z = 14,32
Und tatsächlich: „Als das Spektrum ausgewertet wurde, gab es keine Zweifel mehr: Die Galaxie JADES-GS-z14-0 zeigt eine Rotverschiebung von 14,32 – und pulverisiert damit förmlich den vorherigen Rekord von z = 13,2 für die zuvor fernste Galaxie“, berichten Carniani und sein Mit-Erstautor Kevin Hainline von der University of Arizona in Tucson. Erkennbar war das hohe Alter an einem charakteristischen Bruch in der Lichtkurve, dem sogenannten Lyman-Alpha-Break. Seine Lage verrät das Ausmaß der Rotverschiebung.
„Dieses Spektrum zu sehen war für das gesamte Team unglaublich aufregend, vor allem angesichts des Rätsels, das diese Quelle zuvor umgab“, so die Astronomen. Die neuen Messungen belegen eindeutig, dass diese ferne Sternansammlung schon rund 290 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. Entstanden ist JADES-GS-z14-0 aber wahrscheinlich noch weit früher – die Forschenden schätzen, dass sie rund 100 Millionen Jahre benötigte, um auf die beobachtete Größe heranzuwachsen.
Überraschend hell und massereich
Doch das ist noch nicht alles: „Diese Entdeckung ist nicht nur ein neuer Entfernungsrekord, der wichtigste Aspekt bei JADES-GS-z14-0 ist, dass diese Galaxie trotz ihrer Entfernung schon sehr leuchtstark gewesen sein muss“, erklären Carniani und Hainline. Den Analysen des Teams zufolge muss diese frühe Galaxie schon Sterne von insgesamt mehreren hundert Millionen Sonnenmassen umfasst haben.
„Das wirft die Frage auf, wie eine so helle, massereiche und große Galaxie in weniger als 300 Millionen Jahre entstehen kann“, so die Astronomen. Hinzu kommt: Im Spektrum sind helle Emissionslinien von Wasserstoff, aber auch Sauerstoff enthalten. „Die Präsenz von Sauerstoff so früh im Leben dieser Galaxie ist eine Überraschung. Dies deutet darauf hin, dass schon mehrere Generationen von sehr massereichen Sternen ihren Lebenszyklus durchlaufen haben müssen, bevor wir diese Galaxie beobachtet haben“, erklären Carniani und Hainline.
Gängige Vorstellungen vom frühen Kosmos überholt?
Nach Ansicht der Astronomen widersprechen ihre Beobachtungen dem gängigen Bild eines frühen Kosmos mit nur kleinen, noch sehr lichtschwachen Galaxien. „Alle unsere Daten sagen uns, dass JADES-GS-z14-0 nicht dem Typ von Galaxien entspricht, den theoretische Modelle und Computersimulationen für das sehr frühe Universum vorhersagten“, so die Astronomen. Demnach könnte es in der Zeit kurz nach dem Urknall schon deutlich mehr helle, massereiche Galaxien gegeben haben als bisher gedacht.
„Es ist wahrscheinlich, dass Astronomen mit dem James-Webb-Teleskop noch viele weitere solcher hellen Galaxien finden werden – vermutlich schon innerhalb der nächsten zehn Jahre“, prognostizieren Carniani und Hainline. „Wir sind gespannt, einen ersten Blick auf die außergewöhnlichen Galaxien zu werfen, die in der kosmischen Morgendämmerung existierten.“ Das 43-köpfige Astronomenteam hat seine neuen Erkenntnisse zu JADES-GS-z14-0 und einigen weiteren frühen Galaxien nun in mehreren Preprints veröffentlicht. (Preprint 2024; arXiv:2405.18485)
Quelle: Space Telescope Science Institute