Astronomie

Neue Satelliten für die Milchstraße

Überraschende Menge von Zwerggalaxien könnte Dunkle Materie aufhellen

Die Satelliten der Milchstraße: Die neu entdeckten Objekte (rote Sternchen) zusammen mit bekannten Zwerggalaxien (weiß) und Kugelsternhaufen (grau). © S. Koposov, V. Belokurov (IoA, Cambridge); Hintergrund: 2MASS

Neue galaktische Nachbarschaft: Astronomen haben auf einen Schlag eine ganze Reihe von Zwerggalaxien entdeckt, die um die Milchstraße kreisen. Die winzigen Satelliten sind extrem lichtschwach und deshalb sehr schwer zu finden. Sie sind jedoch wichtige Objekte für die Erforschung der rätselhaften Dunklen Materie, wie gleich zwei Forschergruppen im „Astrophysical Journal“ schreiben.

Unsere Milchstraße ist umgeben von zahlreichen kleineren Galaxien, die sie wie Satelliten umkreisen. Die bekanntesten Vertreter solcher Satelliten-Galaxien sind die Magellanschen Wolken, die von der Südhalbkugel mit bloßem Auge sichtbar sind. Die kleinsten der Satelliten dagegen sind äußerst schwer zu entdecken, aber offenbar umso häufiger: Etwa zwanzig solcher fast unsichtbaren Zwerggalaxien waren bislang bekannt. Zwerggalaxien bestehen aus wenigen Sternen, bei den blassesten können es sogar unter hundert sein. Die Milchstraße enthält im Vergleich dazu etwa 200 bis 400 Milliarden Sterne.

Überraschend viele in einem kleinen Stück Himmel

Die Zahl der Zwerggalaxien um die Milchstraße ist nun schlagartig angestiegen: Gleich zwei Gruppen von Astronomen haben unabhängig voneinander eine überraschende Menge an möglichen Zwerggalaxien entdeckt. Beide Teams nutzten die Daten des Dark Energy Survey. Dieses Projekt fotografiert zurzeit mit der momentan leistungsstärksten Digitalkamera der Welt einen großen Ausschnitt des südlichen Sternenhimmels in zuvor unerreichtem Detail.

Astronomen des US-amerikanischen Fermilab stießen in diesen Aufnahmen auf acht zuvor unbekannte, extrem lichtschwache Objekte, Wissenschaftler der britischen University of Cambridge fanden sogar neun. Mindestens drei davon klassifizieren die Astronomen mit Sicherheit als Zwerggalaxien, die restlichen seien vielversprechende Kandidaten. „So viele Satelliten in so einem kleinen Ausschnitt des Himmels zu entdecken war völlig unerwartet“, sagt Sergey Koposov von der University of Cambridge. „Ich traute meinen Augen nicht.“

Die Magellanschen Wolken und die Position von dreien der neu entdeckten Zwerggalaxie-Kandidaten. Im Vordergrund Teleskope des Paranal Observatoriums in der chilenischen Atacamawüste. © V. Belokurov, S. Koposov (IoA, Cambridge). Photo: Y. Beletsky (Carnegie Observatories)

Von der Milchstraße zerrissen

Die neu entdeckten Satelliten befinden sich am Himmel in der Umgebung der Magellanschen Wolken. Die nächstgelegene dieser Zwerggalaxien befindet sich etwa 95.000 Lichtjahre entfernt. Das ist so nah, dass die gewaltigen Gezeitenkräfte der Milchstraße sie bereits zerreißen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Milchstraße in der Vergangenheit bereits viele solcher Winzlinge auf diese Weise geschluckt hat. Das entfernteste und gleichzeitig leuchtstärkste der neu entdeckten Objekte ist etwa eine Million Lichtjahre weit weg und befindet sich noch in Sicherheit.

Derselbe Grund, aus dem die Zwerggalaxien so schwer zu entdecken sind, macht sie für die Wissenschaftler auch so interessant: die mysteriöse Dunkle Materie. Zwerggalaxien enthalten nämlich eine überdurchschnittliche Menge dieser unsichtbaren Form der Materie, die sich bislang allein über ihre Schwerkraft nachweisen lässt.

Ideale Beobachtungsobjekte für Dunkle Materie

Bis zu 99 Prozent der Masse kann sie in Zwerggalaxien ausmachen. Dies unterscheidet Zwerggalaxien von einfachen Kugelsternhaufen, welche nicht durch die Gravitation dunkler Materie zusammengehalten werden. Und es macht sie zu idealen Beobachtungsobjekten, um mehr über Dunkle Materie zu erfahren.

Wissenschaftler vermuten, dass Dunkle Materie Gammastrahlung aussenden könnte. Zwerggalaxien enthalten keine sonstigen störenden Quellen von Gammastrahlen. Die winzigen Milchstraßen-Satelliten seien daher wichtig, um diese Vermutung zu überprüfen: „Wir müssen sie finden, um zu bestimmen ob unser kosmologisches Bild Sinn ergibt“, sagt Vasily Belokurov von der University of Cambridge. (The Astrophysical Journal, 2015; arXiv: 1503.02079; 1503.02584)

(University of Cambridge / Fermi National Accelerator Laboratory, 11.03.2015 – AKR)

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