Astronomie

Neuer Bildungsweg für Einzelgänger-Planeten

Kollisionen zwischen Materiescheiben junger Sterne erzeugen kosmische "Nomaden"

Planetenbildung
Viele Einzelgänger-Planeten könnten durch die nahe Begegnung zweier Jungsterne ind ihre Materiescheiben entstanden sein. © Hongping Deng

Keine Ausgestoßenen: Viele ohne Stern durchs All treibende Planeten könnten anders entstanden sein als gedacht. Demnach wurden diese kosmischen Nomaden nicht aus einem Planetensystem ausgestoßen, sondern sind das Resultat einer Beinahe-Kollision zweier Jungsterne. Dieser Mechanismus könnte erklären, warum solche massereichen Einzelgänger-Objekte besonders oft in jungen Sternhaufen vorkommen, wie Astronomen in „Science Advances“ berichten.

Die meisten Planeten sind Teil eines Planetensystems und kreisen um einen oder mehrere Muttersterne. Doch es gibt auch Einzelgänger – Planeten, die ungebunden durch das All treiben. Schätzungen zufolge könnte es allein in der Milchstraße 50 Milliarden solcher kosmischen Vagabunden geben. Die Spanne reicht dabei von Gesteinsplaneten bis zu großen Gasriesen an der Grenze zum Braunen Zwerg. Doch wie entstehen solche planetaren Einzelgänger?

Astronomen vermuteten bisher, dass viele dieser „Rogue Planets“ einst Teil eines Planetensystems waren, dann aber durch Schwerkraft-Turbulenzen ausgeschleudert wurden. Die massereichsten Einzelgänger-Planeten könnten aber auch direkt durch den Kollaps einer Gaswolke entstanden sein – ähnlich wie Braune Zwerge und Sterne.

Sternenwiege
Diese rund eine Million Jahre alte Sternenwiege enthüllt neben Jungsternen auch viele ungebundene Objekte planetarer Masse. © NASA/ESA/CSA, M. McCaughrean, S. Pearson

Rätsel um Häufung junger Vagabunden

Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit, wie nun ein Team um Zhihao Fu von der University of Hong Kong herausgefunden hat. Sie sind der Frage nachgegangen, warum es gerade in Sternenwiegen und jungen Sternhaufen besonders viele solcher ungebundenen Objekte mit planetarer Masse (PMO) gibt. Diese jungen Himmelskörper sind oft von Gas und Staub umhüllt und folgen Bahnen, die nicht zu einem Ausstoß aus einem Planetensystem passen.

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Aber wie sind sie dann entstanden? Die Häufung der Einzelgänger im dichten Gedrängel junger Sternhaufen brachte Fu und seine Kollegen auf eine Idee: Könnten solche Himmelskörper durch die direkte Interaktion zweier Jungsterne entstehen? Um das zu überprüfen, simulierten die Astronomen in einem astrophysikalischen Modell verschiedene Beinnahe-Kollisionen von Jungsternen, die noch von einer ausgedehnten zirkumstellaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben sind.

Bildung von Einzelgänger-Planeten
Bildung eines PMO-Paares durch Interaktion zweier zirkumstellarer Scheiben. © Universität Zürich

Spirale, Brücke und Kollaps

Die Simulationen enthüllten: Wenn zwei zirkumstellare Scheiben nahe genug aneinander vorbeiziehen, kommt es zu Schwerkraftturbulenzen. Als Folge werden die Ränder der Materiescheiben erst spiralig auseinandergezogen, dann bildet sich eine langgestreckte „Gezeitenbrücke“ aus Gas zwischen beiden. Dies passiert besonders oft, wenn die beiden zirkumstellaren Scheiben weniger als 500 astronomische Einheiten voneinander entfernt sind und relativ langsam aneinander vorbeiziehen.

Ist die Gezeitenbrücke gebildet, folgt der nächste Schritt: Die langgestreckte Brücke aus Gas und Staub schnürt sich zusammen und bildet mehrere dichte, instabile Gasklumpen. „Diese dichten Kerne kollabieren in fast allen Simulationen innerhalb von rund 400 Jahren zu kompakten runden Objekten“, berichten Fu und seine Kollegen. Gibt es gleich mehrere kollabierende Klumpen in einem Filament, entstehen massereiche planetare Objekte – PMOs. Bildet sich hingegen nur ein instabiler Kern, ist meist ein Brauner Zwerg das Resultat.

Ein dritter Weg

„Diese Entdeckung verändert die Art und Weise, wie wir die kosmische Vielfalt betrachten“, sagt erklärt Seniorautor Lucio Mayer von der Universität Zürich. „PMOs könnten eine dritte Klasse von Objekten darstellen, die nicht aus dem Rohmaterial von Sternentstehungswolken oder durch Planetenbildungsprozesse entstanden sind, sondern aus dem Gravitationschaos von Scheibenkollisionen.“

Das neue Modell könnte mehrere Eigenheiten der massereichen Einzelgänger-Planeten erklären. So kommen diese kosmischen Vagabunden oft in Zweier- oder Dreiergruppen vor und bewegen sich häufig synchron mit den Sternen in ihrer Sternhaufen-Umgebung. Weil diese Planeten vorwiegend aus Gas von den Außenrändern der stellaren Materiescheiben entstehen, sind sie zudem eher metallarm und oft von eigenen Gaskokons oder Scheiben umgeben. Dadurch könnten sich um diese Nomaden später sogar noch Monde bilden. (Science Advances, 2025; doi: 10.1126/sciadv.adu6058)

Quelle: Universität Zürich

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