Eigentlich unmöglich: Astronomen rätseln, warum der Exoplanet 8 Ursa minoris b nicht von seinem aufgeblähten Stern verschlungen wurde. Jetzt haben neue Beobachtungen die favorisierte Hypothese dazu widerlegt. Denn der rund 530 Lichtjahre entfernte Stern ist nicht alt genug und chemisch zu „normal“, um eine Verschmelzung durchlebt zu haben, wie die Astronomen berichten. Warum sein Planet dennoch dem Roter-Riese-Stadium des Sterns entkam, bleibt damit weiterhin unerklärt.
Wenn ein Stern zum Roten Riesen wird, bläht er sich so stark auf, dass alle Planeten in seinem näheren Umfeld von ihm verschlungen werden – auch die Erde wird eines fernen Tages dieses Schicksal erleiden. Umso überraschter waren Astronomen, als sie vor wenigen Jahren einen Exoplaneten entdeckten, der offenbar völlig unbeschadet mitten in der „Todeszone“ kreiste. Sein Stern, der rund 530 Lichtjahre entfernte 8 Ursa minoris, hat seine Roter-Riese-Phase bereits hinter sich und ist nun ein sogenannter „Roter Klumpen“ (Red Clump).
Stoppte eine Sternverschmelzung das Aufblähen?
Das Merkwürdige jedoch: Während seiner Roter-Riese-Phase muss sich 8 Ursa minoris bis auf einen Radius von 100 Millionen Kilometer ausgedehnt haben. Doch sein Planet, 8 Ursa minoris b, kreist nur 75 Millionen Kilometer entfernt – und dürfte demnach nicht mehr existieren. 2023 vermuteten Astronomen, dass der Planet seinem Schicksal entging, weil vielleicht die Verschmelzung mit einem nahen Begleitstern das Aufblähen des Roten Riesen vorzeitig stoppte.
Doch wenn diese Erklärung stimmt, dann müsste sich dies am Alter und der chemischen Zusammensetzung des Sterns ablesen lassen. Um dies zu klären, haben nun Huiling Chen von der Universität Peking und ihre Kollegen sich den Roten-Klumpen-Stern und seinen „untoten“ Planeten noch einmal genauer angeschaut. Mithilfe von Daten des Gaia-Teleskops und hochauflösenden Spektren des Observatoriums der Haute-Provence in Frankreich ermittelten sie das Alter und die chemische Zusammensetzung von 8 Ursa minoris.
Zu normal und zu jung
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Der Stern 8 Ursa minoris ist weit jünger als zuvor angenommen. „Die kinematischen und chemischen Ergebnisse zeigen, dass das wahre Alter dieses Systems bei 3,25 bis 3,5 Milliarden Jahren liegt“, berichten die Astronomen. „Damit ist 8 UMi ein erst mittelalter Stern und zu jung, um eine Doppelstern-Verschmelzung durchlaufen zu haben.“ Hätte es eine Verschmelzung gegeben, würde man ein Alter von mindestens neun Milliarden Jahren erwarten, wie das Team erklärt.
Und noch etwas kommt hinzu: Die chemischen Analysen ergaben, dass 8 Ursa minoris auch in seiner Elementzusammensetzung keine Hinweise auf eine Verschmelzung zeigt. „Den chemischen Daten zufolge ist 8 UMi ein typischer Stern der dünnen Scheibe“, berichten Chen und ihr Team. Diese umfasst den flachen inneren Bereich der Milchstraßen-Scheibe, die besonders viel Gas und jüngere Sterne enthält. Für die Verschmelzungstheorie ist dieser Stern demnach zu „normal“.
Ist die Sternenmasse des Rätsels Lösung?
Aber wie konnte der Exoplanet 8 Ursa minoris b dann dem Verschlingen durch seinen Roten Riesen entgehen? Bisher ist diese Frage weiter offen – auch Chen und ihre Kollegen haben keine eindeutige Erklärung parat. Allerdings stießen sie auf eine Auffälligkeit, die möglicherweise weiterhelfen könnte: Ihren Messungen zufolge ist der Stern 8 Ursa minoris 1,7 Sonnenmassen schwer – rund 13 Prozent schwerer als zuvor angenommen.
„Dies könnte der Schlüssel zur Lösung des Rätsels sein“, erklärt das Team. Denn ein Stern von dieser Masse dehnt sich auf dem Höhepunkt seiner Roter-Riese-Phase etwas weniger weit aus als ein leichterer, weniger dichter Stern. Gleichzeitig korrigiert dies auch die Umlaufbahn des Planeten ein wenig weiter nach außen. „Eine leicht höhere Sternenmasse kann damit die Chance für einen Planeten erhöhen, dem Verschlungenwerden durch den Roten Riesen zu entgehen“, berichten Chen und ihre Kollegen.
Ob dies jedoch ausreicht, um das überraschende Überleben des Exoplaneten 8 Ursa minoris b zu erklären, bleibt offen. „Um das Rätsel dieses Planetensystems zu lösen, sind weitere Untersuchungen nötig“, schließen die Astronomen. (Astrophysical Journal Letters, 2024; doi: 10.3847/2041-8213/ad3bb4)
Quelle: Astrophysical Journal Letters, AAS Nova