Die Materie im Kern von Neutronensternen ist weder fest noch gasförmig, sondern nimmt einen äußerst exotischen Zustand ein: Sie bildet eine superfluide Flüssigkeit, eine Flüssigkeit ohne jede innere Reibung. Auf der Erde nur bei Temperaturen nahe dem Nullpunkt erzeugbar, haben Forscher diesen Zustand jetzt erstmals bei knapp einer Milliarde Grad Celsius und extremem Druck im Kern eines Neutronensterns nachgewiesen. Der jetzt in gleich zwei Fachzeitschriften veröffentlichte Fund gibt auch neue Einblicke in subatomare Prozesse.
Im Inneren von Neutronensternen ist die Materie so dicht gepackt, dass ein Teelöffel voll sechs Milliarden Tonnen wöge. Der Druck im Inneren dieser in Supernova-Explosionen entstehenden Relikte ist so hoch, dass geladene Teilchen wie Elektronen und Protonen in ihnen zu Neutronen verschmelzen. Jetzt aber haben zwei Forscherteams einen Neutronenstern entdeckt, der noch eine weitere äußerst ungewöhnliche Eigenschaft besitzt.
Ungewöhnlich schnelle Abkühlung
Die Astronomen untersuchten in ihren Studien einen Neutronenstern im rund 11.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Supernova-Relikt Cassiopeia A. Es entstand bei der Explosion eines massereichen Sterns, dessen Strahlung vor rund 330 Jahren die Erde erreicht haben muss. Bereits im letzten Jahr hatten Craig Heinke von der Universität von Alberta und Wynn Ho von der Universität von Southampton entdeckt, dass sich dieser Neutronenstern abkühlt. Jetzt ist es erstmals gelungen, die Geschwindigkeit dieser Abkühlung genauer zu bestimmen.
Und das Ergebnis überraschte: Daten des Röntgenobservatoriums Chandra zeigten, dass sich der Neutronenstern innerhalb von nur zehn Jahren um vier Prozent abgekühlt hatte. „Diese Temperaturabnahme klingt zwar gering, ist aber wirklich dramatisch und überraschend zu sehen“, erklärt Dany Page von der Autonomen National-Universität in Mexiko. „Denn es bedeutet, dass mit diesem Neutronenstern etwas Ungewöhnliches passiert.“
Superfluide Flüssigkeit im Kern
Erklärbar ist eine solche Abkühlungsrate nach Ansicht der Forscher nur damit, dass die Materie im Inneren des Neutronensterns in einem besonderen Zustand vorliegt – als superfluide Flüssigkeit. Aus dem Labor ist dieses Phänomen der Superfluidität nur bei bestimmten Helium-Isotopen nahe dem absoluten Nullpunkt bekannt. Die Flüssigkeit verliert dabei jede innere Reibung, kann aufwärts fließen und sogar vakuumdichte Behälter verlassen. Superfluide Flüssigkeiten aus geladenen Teilchen gelten zudem als perfekte Supraleiter.
Die neuen Messergebnisse deuten nun darauf hin, dass auch im Herzen des Neutronensterns eine solche Flüssigkeit aus geladenen Teilchen existiert. „Die schnelle Abkühlung im Neutronenstern von Cassiopeia A ist der erste direkte Beleg dafür, dass der Kern dieser Neutronensterne tatsächlich aus superfluidem und supraleitendem Material besteht“, erklärt Peter Shternin vom Ioffe Institut in St Petersburg.
Superfluidität bei knapp einer Milliarde Grad
Während auf der Erde ultrakalte Temperaturen nötig sind, um diesen Materiezustand zu erzeugen, sorgt der extreme Druck im Inneren des Neutronensterns dafür, dass Superfluidität sogar bei der extremen Hitze von fast einer Milliarde Grad Celsius auftritt. Bisher allerdings war absolut unklar, wo genau die kritischen Temperatur-Grenzen für dieses Phänomen liegen. Die neuen Ergebnisse engen den Bereich nun auf rund eine halbe Milliarde bis knapp eine Milliarde Grad ein.
„Es zeigt sich, dass Cas A in dieser Hinsicht ein Geschenk des Himmels ist. Denn wir mussten dafür einen sehr jungen Neutronenstern zu genau dem richtigen Zeitpunkt erwischen“, erklärt Madappa Prakash von der Universität von Ohio. „Manchmal ist auch in der Wissenschaft Glück im Spiel.“ Während winzige plötzliche Sprünge in der Rotationsgeschwindigkeit der Neutronensterne schon darauf hindeuteten, dass in der Sternenkruste superfluide Materie vorkommen könnte, ist dieser exotische Zustand jetzt erstmals auch für den extrem dichten, heißen Kern bewiesen.
Der Neutronenstern in Cassiopeia A ermöglicht es den Forschern nun, Modelle zu testen, die das Verhalten der starken Kernkraft unter ultradichten Bedingungen simulieren. Gleichzeitig könnte die neue Erkenntnis auch dazu beitragen, einige der ungewöhnlichen Eigenschaften von Neutronensternen wie magnetische Ausbrüche oder das häufige Pulsieren zu erklären. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2011; DOI: 10.1111/j.1365-2966.2010.17827.x und Physical Review Letters, 2011; DOI: 10.1103/PhysRevLett.106.081101)
(Chandra X-ray Center, 28.02.2011 – NPO)