Auf dem Mars existiert ein zugefrorenes Gewässer von der Größe der Nordsee, auf dessen Oberfläche riesige Schollen von Packeis zu sehen sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gruppe von Wissenschaftlern um den britischen Geologen John Murray von der Open University in London anhand von hochauflösenden Bildern der Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) auf der europäischen Raumsonde Mars Express.
Die Forscher schätzen die Tiefe des Sees auf 45 circa Meter. Das Gebiet mit einer Ausdehnung von etwa 800 mal 900 Kilometern befindet sich in der Elysium-Ebene.
Schon vor dem Mars Express haben Astronomen vermutet, dass sich in geologisch jüngerer Vergangenheit – vor zwei bis zehn Millionen Jahren – Lavaströme und Wasserfluten in dieser Gegend südlich der etwa 17 Kilometer hohen Elysium-Vulkanregion über die Oberfläche ergossen haben. Zwar konnten schon auf Fotos früherer Marsmissionen einige Lavaströme identifiziert werden, von den Wassermassen fehlte bisher jedoch jegliche Spur: Forscher nahmen an, dass das Wasser relativ rasch verdunstet und aus der dünnen Marsatmosphäre ins Weltall entwichen sei. Wie die HRSC-Bilder nun zeigen, scheint das Wasser jedoch noch heute in einem bis zum Grund gefrorenen See vorhanden zu sein.
Schollen „schwimmen“ im See
Die HRSC-Bilder zeigen Strukturen, die an Packeis erinnern: Flache Eisschollen scheinen sich über einem strukturlosen Material zu erheben und gleichsam in ihm zu „schwimmen“. Die Situation ist morphologisch identisch mit Eisbergen, die auf dem Meer schwimmen. Auch die Dimensionen der Schollen sind exakt die gleichen wie die irdischer Eisschollen im Packeis. Die Forscher nehmen an, dass sich im untersuchten Gebiet noch heute große Mengen des Eises im Untergrund befinden. Dafür spricht die intakt erscheinende Oberfläche, die extrem flach ist. Wäre das Eis bereits verschwunden – so die Wissenschaftler -, müsste die Oberfläche weit stärker durch Erosion verändert worden sein. Möglicherweise wurde das Packeis durch einen schützenden Belag vor dem Verdunsten bewahrt. Ein wesentlicher Bestandteil einer solchen Schutzschicht könnte vulkanische Asche sein, die sich auf der gefrierenden Oberfläche abgesetzt hatte.
Die Wissenschaftler vermuten, dass sich der See in seiner heutigen Form vor etwa fünf Millionen Jahren gebildet haben könnte, in geologischen Maßstäben ist dies ein extrem junges Alter. Ernst Hauber, Geologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof, schätzt die spektakulären Messungen so ein: „Bestätigen sich die Ergebnisse, ist der Mars ein nach unseren Maßstäben noch heute geologisch aktiver Planet“.
Mars noch geologisch aktiv?
Anhand der Anzahl und der unterschiedlichen Größen von Kratern, die von Meteoriteneinschlägen herrühren, kann das Alter von festen Planetenoberflächen relativ genau ermittelt werden. So weist eine frische Oberfläche auf einem Planeten – beispielsweise ein erkalteter Lavastrom – zunächst keine Einschlagskrater auf, mit der Zeit entstehen jedoch immer mehr Krater durch Einschläge.
Die Verteilung von Kratern unterschiedlicher Häufigkeit und Größe lässt sich eichen und so ein zuverlässiges Oberflächenalter ermitteln. Nach dieser Methode wurden sowohl das Alter der „Packeis-Schollen“ auf fünf Millionen Jahre, als auch der Flächen dazwischen bestimmt – letztere scheinen nochmals jünger zu sein.
„Fossile Eisberge“
Als Alternative zu der Interpretation, dass die kantigen Flöße gewissermaßen „fossile Eisberge“ in einem vollständig vereisten See sind, kommen nur zerbrochene Schollen erkalteter Lavaströme in Frage. Die Wissenschaftler konnten jedoch einen vulkanischen Ursprung widerlegen: Die einzelnen Platten auf dem Mars sind etwa hundertmal größer als Lavaschollen auf der Erde. Dann scheint sich die Matrix, in der die Schollen treiben, um einen erheblichen Betrag „gesetzt“ zu haben.
Bei Wasser könnte das fehlende Volumen leicht durch Verdunstung erklärt werden, bei fließender Lava jedoch nicht, denn beim Erkalten verringert sich das Volumen des Lavastromes maximal um etwa ein Prozent. Auffallend ist außerdem, dass das Packeis über mehr als 60 Kilometer hinweg so gut wie kein Gefälle aufweist, was bei einem Lavastrom ungewöhnlich wäre.
An den geologischen Untersuchungen sind Professor Gerhard Neukum als Principal Investigator (PI) des HRSC Kameraexperiments sowie seine beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Stephanie Werner und Stephan van Gasselt vom Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin beteiligt.
(idw – Pressemitteilung Freie Universität Berlin, 23.02.2005 – DLO)