Ungestörte Sicht: Der kälteste Ort der Erde ist gleichzeitig der astronomisch interessanteste. Denn der Hügel Dome Argus auf dem ostantarktischen Plateau bietet die klarste Sicht auf den Sternenhimmel. Dort sind Luftfeuchtigkeit und Turbulenzen so gering, dass eine Auflösung von bis zu 0,13 Bogensekunden möglich wird, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Damit könnte sich dieser Ort vor allem für hochauflösende Infrarotteleskope eignen.
Damit der Blick ins All möglichst klar und unverstellt gelingt, muss die Atmosphäre über einem Teleskop möglichst trocken, klar und frei von Turbulenzen sein. Es ist daher kein Zufall, dass die leistungsfähigsten Teleskope auf Hochplateaus der Atacamawüste oder dem Gipfel von Hawaiis Vulkanen stehen. Zusätzlich gleichen adaptive Optiken die Verzerrungen der Aufnahmen durch atmosphärische Turbulenzen aus.
Expedition zum kältesten Ort der Erde
Jetzt haben Forscher um Bin Ma von der chinesischen Akademie der Wissenschaften einen Ort auf der Erde entdeckt, der eine noch bessere Sicht auf den Kosmos gewährt als die Atacama oder Hawaiis Vulkane. Auf der Suche danach begaben sie sich an eine der unwirtlichsten und entlegensten Stellen des Planeten: auf das antarktische Plateau.
Dort, in gut 4.000 Meter Höhe, liegt der Dome Argus (Dome A), eine über einem subglazialen Gebirge liegende Eiskuppe. In ihrem Umfeld haben Wissenschaftler im Jahr 2018 die tiefsten Temperaturen der Erde gemessen: Nahe der Schneeoberfläche erreichte die Luft hier mehrfach Werte von weniger als minus 98 Grad. Ein Grund für diese extreme Kälte ist die klare und extrem trockene Luft über dem Dome A, durch die die Wärme besonders gut in den Weltraum entweichen kann.
Auflösung von bis zu 0,13 Bogensekunden
Genau diese Eigenschaften machen den Dome A auch zu einem besonders guten astronomischen Beobachtungspunkt, wie nun Ma und sein Team belegen. Mithilfe eines speziellen Sensors auf einem acht Meter hohen Mast haben sie während des Polarwinters 2019 gemessen, wie gut die Sicht auf den Himmel in optischen und infraroten Wellenbereichen ist. Insgesamt sammelten sie so mehr als 45.000 Messwerte.
Das Ergebnis: Der Himmelsblick am Dome A erreicht Auflösungen von bis zu 0,13 Bogensekunden, im Schnitt sind Beobachtungen mit 0,31 Bogensekunden Auflösung möglich. Diese Werte übertreffen die in der Atacama oder auf Hawaii erreichten 0,6 bis 0,8 Bogensekunden deutlich, wie die Forscher berichten. Selbst die Sicht an der Antarktisstation Concordia, die ebenfalls auf dem ostantarktischen Plateau liegt, sei wegen der dort höher liegenden atmosphärischen Grenzschicht schlechter.
Bester Standort für ein Teleskop
„Die Kombination von großer Höhe, niedrigen Temperaturen, langen Perioden kontinuierlicher Dunkelheit und einer außergewöhnlich stabilen Atmosphäre macht den Dome A zu einem sehr attraktiven Standort für die optische und Infrarot-Astronomie“, sagt Koautor Paul Hickson von der University of British Columbia. Den ein Teleskop an diesem Standort könnte schärfere Bilder liefern und lichtschwächere Objekte detektieren als gleiche Optiken an anderen Orten.
Allerdings: Wegen der Unzugänglichkeit dieses Gebietes und der extremen Kälte kämen wohl nur robotische und automatische Teleskope dafür in Frage. Denn für eine dauerhafte Polarstation sind die Bedingungen zu harsch und der Standort zu schwer erreichbar. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2489-0)
Quelle: University of British Columbia