Kataklysmischer Treffer: Der Uranus hat vermutlich nur knapp eine dramatische Kollision überstanden. Denn vor rund vier Milliarden Jahren kollidierte er mit einem Protoplaneten von rund der doppelten Erdgröße, wie nun Simulationen nahelegen. Diese Kollision könnte einige bisher rätselhafte Eigenheiten des Eisriesen erklären – unter anderem seine auf die Seite gekippte Rotation und sein exzentrisches, vierpoliges Magnetfeld, wie Forscher im Fachmagazin „Astrophysical Journal“ berichten.
Der Uranus ist ein ebenso ungewöhnlicher wie rätselhafter Planet. Denn die Oberfläche des fernen Eisriesen ist mit minus 216 Grad kälter als sie eigentlich sein dürfte, sein Magnetfeld hat nicht nur zwei, sondern gleich vier Pole und seine Ringe und Mond eiern eher um den Planeten – sie kreisen nicht genau in der äquatorialen Ebene. Zudem hat der Uranus offenbar mit seinem Nachbarn Neptun die Plätze getauscht.
Um 90 Grad gekippt
Besonders seltsam jedoch: Der Uranus umkreist die Sonne auf der Seite liegend. „Seine Rotationsachse steht im fast rechten Winkel zu denen aller anderen Planeten im Sonnensystem“, erklärt Erstautor Jacob Kegerreis von der Durham University. Schon länger vermuten Planetenforscher, dass hinter vielen dieser Merkwürdigkeiten des Eisplaneten eine planetare Katastrophe stecken muss.
„Dies wurde fast sicher von einem gewaltigen Einschlag verursacht“, sagt Kegerreis. „Aber wir wissen nur sehr wenig darüber, wie dies geschah und wie ein so katastrophales Ereignis den Planeten beeinflusst hat.“ Um mehr herauszufinden, haben er und seine Kollegen mehr als 50 verschiedene Kollisionsszenarios im Computer simuliert und überprüft, welche in den Merkmalen des heutigen Uranus resultieren.
Einschlag mit doppelter Erdmasse
Das Ergebnis: „Am wahrscheinlichsten ist eine kataklysmische Kollision des jungen Uranus mit einem Objekt von der doppelten Masse der Erde oder sogar noch etwas größer“, berichtet Kegerreis. „Diese kippte den Planeten auf die Seite.“ Den Simulationen nach kollidierten Uranus und der aus Eis und Gestein bestehende Protoplanet vor rund vier Milliarden Jahren nicht frontal, sondern eher seitlich. Dadurch blieb ein Teil der ursprünglichen Uranusatmosphäre erhalten.
Gleichzeitig wurden Eis und Gestein des Impaktors bis weit in den Planeten hineingeschleudert. Ein großer Teil des Gesteins gelangte dabei bis zum Kern des Uranus – aber nicht alles: „Bei Kollisionen mit höherem Drehimpuls werden signifikante Mengen des Gesteins als ungleichmäßig verteilte Klumpen in der Eisschicht des Planeten eingebettet“, berichten die Forscher. Diese Gesteinsklumpen im Eis könnten das ungewöhnliche, nicht zentrierte Magnetfeld des Planeten erklären.
Erklärung für Kälte und Monde
Auch die ungewöhnliche Kälte der Uranusoberfläche könnte die Folge dieser Kollision sein. Denn wie die Simulationen ergaben, lagerte sich beim Einschlag der größte Teil des Eises vom Impaktor im Außenbereich des Uranus-Mantels ab. „Diese Schicht aus fremdem Material könnte den fehlenden Hitzefluss aus dem Planeteninneren erklären“, berichten Kegerreis und seine Kollegen.
Die Monde und Ringe des Uranus sind nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich ebenfalls größtenteils bei der Kollision entstanden. Ein Teil des Materials von Uranus und seinem Impaktor wurden damals in den Orbit geschleudert und verklumpte dort zu den inneren Monden des Uranus. Der Rest bildete seine Ringe. Möglicherweise bereits vorhandenen Monde könnten durch Kollisionen mit diesen Planetentrümmern abgelenkt worden sein – das würde die teilweise geneigten und exzentrischen Bahnen dieser Trabanten erklären, so die Forscher.
Spannend sind ihre neuen Erkenntnisse aber nicht nur für den Uranus, sie könnten auch bei der Erforschung von extrasolaren Planeten helfen. Denn viele von ihnen ähneln in Größe und Zusammensetzung dem Uranus. „Alles deutet darauf hin, dass gewaltige Einschläge während der Planetenbildung häufig vorkommen“, sagt Koautor Luis Teodoro vom Ames Research Center der NASAS. „Durch diese Art der Forschung gewinnen wir nun mehr Einblicke in die Folgen solcher Ereignisse auch für Exoplaneten.“ (The Astrophysical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-4357/aac725)
(Durham University, 03.07.2018 – NPO)