Harmonische Planetenfamilie: Astronomen haben in der Milchstraße ein äußerst stabiles Planetensystem entdeckt. Die vier Himmelskörper des Systems Kepler-223 umkreisen ihren Heimatstern in ungewöhnlich präzise aufeinander abgestimmten Umlaufzeiten. Wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten, liefert das synchrone Quartett auch Hinweise auf die Entstehung und Entwicklung anderer Planetensysteme.
Das Kepler-Weltraumteleskop der NASA ist einer der erfolgreichsten Planetenjäger überhaupt: Astronomen haben damit bereits etliche Planeten jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Außerhalb des Einflusses unseres Heimatsterns umkreisen diese Exoplaneten andere Sterne oder Braune Zwerge. Doch in wohl keinem von Kepler gefundenen Planetensystem wirkt der Tanz der Himmelskörper um ihren Stern so präzise choreografiert wie bei Kepler-223.
Kepler-223 ist ein System aus vier Planeten, die einen sonnenähnlichen Stern umrunden. Die Planeten sind viel größer als die Erde, bestehen aus einem festen Kern und sind umgeben von Gas – sie gehören damit zu der in unserer Galaxie weit verbreiteten Klasse der Sub-Neptune. Wissenschaftler um Sean Mills von der University of Chicago haben nun die Umlaufbahnen dieser vier Himmelskörper mithilfe von Daten des Kepler-Teleskops untersucht – und eine erstaunliche Entdeckung gemacht.
Stabilisierende Resonanz
„Die Orbits der Planeten sind zeitlich so exakt aufeinander abgestimmt, dass sie dem System dadurch eine ungewöhnliche Stabilität verleihen“, schreibt das Team. Demnach umkreisen die Planeten ihren Stern in Umlaufzeiten, deren Verhältnis zueinander in ganzen Zahlen ausgedrückt werden kann. Solche sogenannten Bahnresonanzen können Himmelskörper in manchen Fällen durch auftretende Gravitationseinflüsse empfindlich stören. Langfristig verändern sie dann ihre Bahn – bis sie im Extremfall zum Beispiel mit anderen Objekten kollidieren.
Bei Kepler-223 jedoch vollziehen die Planeten einen synchronen Tanz, der stabilisierende Resonanzen erzeugt: Jedes Mal, wenn der innerste Planet des Systems den Stern dreimal umrundet, umkreist der zweitnächste ihn exakt viermal. „Die beiden Planeten kehren also relativ zueinander und ihrem Heimatstern zur gleichen Zeit an die Ursprungsposition zurück“, sagen die Forscher.
Auch die Umlaufzeiten der weiteren Planeten stehen in ganzzahligen Verhältnissen zueinander – und dieses Verhältnis halten sie bei jeder Umrundung präzise ein. Ein extrasolares System, in dem gleich vier Planeten in stabiler Resonanz kreisen, ist den Forschern zufolge ungewöhnlich. „Bisher konnten wir außerhalb des Sonnensystems nur Systeme mit zwei oder drei Planeten in Resonanz beobachten. Kepler-223 ist wohl das extremste Beispiel für dieses Phänomen.“
Wie im Gleichtakt schwingende Metronome
Doch wie konnte ein solch perfekt ausbalanciertes System entstehen? Mills und seine Kollegen vermuteten: Nur durch eine sogenannte planetare Migration wäre das möglich. Das bedeutet, dass einzelne Planeten während der Entstehung eines Planetensystems ihre Bahn verändern. Das kann zum Beispiel durch Wechselwirkungen mit anderen Planeten oder Gasscheiben passieren.
Bei einer solchen Bewegung könnten sich die Himmelskörper einander angenähert haben, so die These der Forscher. Eine Simulation bestätigte diese Möglichkeit: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Planeten durch langsame Migration während der Formation und Entwicklung des Systems aneinander angepasst und so konfiguriert haben, wie wir sie heute beobachten.“
Anschaulich wird dieser Prozess durch einen irdischen Vergleich: Stellt man mehrere Metronome auf ein Holzbrett, das auf zwei leeren Dosen steht, ticken sie schon nach kurzer Zeit im gleichen Takt. Denn die Metronome befinden sich nun in einem gemeinsamen System, das als Ganzes in Schwingung gerät und sich über kurz oder lang synchronisiert. Die Metronome haben dann nicht mehr verschiedene Frequenzen, sondern dieselbe.
Destabilisierung durch störende Himmelskörper?
Auch über die Entstehung anderer Planetensysteme konnten die Simulationen Aufschluss geben. So zeigte sich: Die Planetenmigrationen, die sich wahrscheinlich bei der Entstehung von Kepler-223 vollzogen haben, ähneln jenen, die Experten auch für die Planeten in unserem äußeren Sonnensystem vermuten: Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
„Das Kepler-Teleskop hat zudem noch viele weitere Systeme entdeckt, in denen Planeten nah um ihren Heimatstern kreisen, die jenen aus Kepler-223 gleichen. Doch die Mehrheit dieser Systeme verfügt nicht über diese besondere resonante Konfiguration“, berichten die Forscher. Sie glauben deshalb, dass viele dieser Systeme zwar ähnlich wie Kepler-223 entstanden sind, aber später destabilisiert wurden. „Vielleicht durch die Kräfte eines weiter entfernten massereichen Planeten oder durch den Einfluss vieler kleinerer Objekte, die beim Entstehungsprozess der Planeten übrigblieben.“ (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17445)
(Pennsylvania State University/ University of Chicago, 12.05.2016 – DAL)