Gewaltige Eruption: Astronomen wurden erstmals Zeugen eines koronalen Massenauswurfs bei einem fremden Stern. Mithilfe des Chandra-Röntgenteleskops beobachteten sie, wie während eines Strahlenausbruchs Millionen Grad heißes Plasma weit ins All hinausgeschleudert wurde. Die Masse des ausgeschleuderten Materials lag dabei zehntausendfach höher als bei den größten Ausbrüchen der Sonne, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.
Unsere Sonne gibt nicht nur Licht und Strahlung ab, immer wieder ereignen sich auch heftige Eruptionen auf ihrer Oberfläche. Wechselwirkungen der magnetischen Feldlinien mit dem solaren Plasma setzen energiereiche Strahlenpulse frei, die sogenannten Flares. Parallel dazu kommt es oft zum Ausstoß großer Mengen heißen Plasmas ins All, den koronalen Massenauswürfen. Treffen diese geladenen Teilchenwolken auf die Erdatmosphäre, können sie Polarlichter, aber auch schwerwiegende Folgen wie den Kollaps von Stromnetzen und der Telekomunikation verursachen.
Fahndung nach stellaren Stürmen
„Obwohl die Massenauswürfe die energiereichsten koronalen Phänomene sind, wurden sie bisher nur bei der Sonne beobachtet“, erklären Costanza Argiroffi von der Universität Palermo und ihre Kollegen. Für andere Sterne reichte die räumliche und zeitliche Auflösung irdischer Teleskope nicht aus. Als Folge konnten Forscher bisher nur mithilfe theoretischer Modelle darüber spekulieren, ob koronale Ausbrüche bei größeren, aktiveren Sternen einfach nur stärkere Versionen der solaren Eruptionen sind oder sich womöglich doch fundamental unterscheiden.
Jetzt jedoch ist es Argiroffi und ihrem Team gelungen, erstmals einen koronalen Ausbruch bei einem fremden Stern zu beobachten. Für ihre Beobachtung richteten die Astronomen das Chandra-Weltraumteleskop der NASA auf den 450 Lichtjahre entfernten Riesenstern HR 9024. Er hat die fast dreifache Sonnenmasse und einen fast zehnmal größeren Radius. Dass dieser Stern aktiv ist, belegen die immer wieder auftretenden intensiven Röntgenflares.
Spektralverschiebungen verraten Plasmabewegungen
Während eines solchen Flares beobachteten die Astronomen charakteristische Verschiebungen im Spektrum der vom stellaren Plasma ausgehenden Strahlung – Hinweise auf Auf- und Ab-Bewegungen des stellaren Plasmas. Erst gab es eine signifikante Blauverschiebung bestimmter Spektrallinien, dann eine Rotverschiebung. Nach Ende des Flares folgte dann erneut eine signifikante Blauverschiebung, wie die Forscher berichten.
„Die ersten beiden Doppler-Verschiebungen verraten uns, dass heißes, strahlendes Plasma zu Beginn des Flares aufwärts stieg und dann zurück in die Chromosphäre fiel“, so Argiroffi und ihr Team. Auf ähnliche Weise bewege sich auch das solare Plasma entlang der aufgewölbten Magnetfeldlinien bei einem Sonnenflare, erklären sie. Bei HR 9024 allerdings war dieses Plasma bis zu 25 Millionen Kelvin heiß und raste mit bis zu 400 Kilometern pro Sekunde die Magnetschleifen entlang.
Ausbruch in der Korona
„Das Wichtigste jedoch ist eine weitere Beobachtung: Nach dem Flare stieg kaltes Plasma mit Temperaturen von ’nur‘ vier Millionen Kelvin und Geschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometern pro Sekunde erneut vom Stern auf“, berichtet Argiroffi. Dies spricht dafür, dass der Strahlenausbruch einen koronalen Massenauswurf auf der Sternoberfläche ausgelöst hat. Dieser raste fast genau in Blickrichtung des Teleskops ins All und daher erschien das Plasma-Spektrum gestaucht.
Zum ersten Mal sind Astronomen damit Zeugen eines koronalen Massenauswurfs auf einem anderen Stern als unserer Sonne geworden. „Diese nie zuvor gemachten Beobachtungen bestätigen, dass unser Verständnis der Hauptphänomene bei stellaren Flares korrekt ist“, sagt Argiroffi. Und wie erwartet, sind diese Plasmaausbrüche bei größeren, massereicheren Sternen wie HR 9024 deutlich umfangreicher als auf der Sonne.
Zehntausendfache Masse – aber deutlich langsamer
Die Eruption auf HR 9024 schleuderte nach Schätzungen der Astronomen rund 1,2 Billiarden Tonnen Plasma ins All hinaus – das ist zehntausendfach mehr als die stärksten je beobachteten Ausbrüche unserer Sonne. Wie die Forscher erklären, bestätigt dies die in Modellen der Sonne ermittelte Korrelation zwischen der Intensität des Flares und der Masse des folgenden Plasmaausbruchs. Gleichzeitig demonstriert dies aber auch, dass bei einer solchen Eruption beträchtliche Mengen an Sternenmaterial verloren gehen können.
Es gibt aber auch spannende Abweichungen: „Die kinetische Energie des ausgeschleuderten Plasmas lag um das Zehntausendfache niedriger als anhand der hochgerechneten solaren Modelle angenommen“, berichten Argiroffi und ihr Team. Der Beschleunigungsmechanismus dieser koronalen Massenauswürfe scheint demnach bei so großen Sternen weniger effizient zu sein.
Insgesamt liefert damit schon diese erste Beobachtung eines Plasmaausbruchs bei einem fremden Stern wertvolle Informationen über die physikalischen Gesetzmäßigkeiten solcher Eruptionen – und das hilft dabei, die theoretischen Modelle zu verbessern. (Nature Astronomy¸2019; doi: 10.1038/s41550-019-0781-4)
Quelle: Chandra X-ray Observatory