Gasriese durchleuchtet: Astronomen ist der bisher genaueste Radioblick unter die Wolkenschicht des Jupiter gelungen. Mit Hilfe des Very Large Array in den USA haben sie erstmals die Strömungen von kaltem Ammoniakgas bis in 100 Kilometer Tiefe sichtbar gemacht. Die neue Radiokarte enthüllt zuvor unbekannte Strukturen, liefert aber auch wertvolle Informationen darüber, wie die dynamischen Turbulenzen des Gasriesen funktionieren, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Die Atmosphäre des Jupiter ist ein stürmischer Ort: Gewaltige Wirbelstürme bilden langlebige rötliche oder weiße Flecken, Stürme und Wolken aus gefrorenem Ammoniak rasen mit bis zu 550 Kilometern pro Stunde um den Planeten. Aussehen und Lage der großen Stürme und Windbänder ändern sich zudem ständig.
Wie es allerdings unter den obersten Wolkenschichten des Gasriesen aussieht, ist bisher nur in Teilen bekannt. Wesentliche Daten stammen vor allem von der Galileo-Probensonde, die 1995 in die Jupiter-Atmosphäre eintauchte und kurz vor dem Zerdrücktwerden Messdaten an ihre Muttersonde schickte.
Blick bis in 100 Kilometer Tiefe
Erst jetzt, durch eine Aufrüstung der Radioteleskope des Very Large Array( VLA) in den USA, haben Astronomen neue Einblicke in das Geschehen unter der Wolkendecke des Jupiter gewonnen. Imke de Pater von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen nutzten die nun zehnfach höhere Sensitivität der Radioantennen aus, um die Gashülle des Planeten bis in 100 Kilometer Tiefe hinein zu durchleuchten.
„Diese Region war bisher unerforscht“, sagt de Pater. Für das Verständnis der Vorgänge in der Atmosphäre des Gasriesen ist sie aber entscheidend, denn in diesem Bereich bilden sich die Wolken und finden wichtige Austauschprozesse statt. „Die neuen Beobachtungen liefern uns wichtige Informationen über die Temperaturen, Drücke und die Bewegung der Gase in diesen Tiefen der Atmosphäre“, so die Forscherin.
Datenfilter gegen das Verschwimmen
Um so genau wie nie zuvor unter die Wolkendecke des Jupiter zu spähen, mussten die Radioastronomen allerdings noch eine Schwierigkeit überwinden: Jupiter rotiert sehr schnell, alle zehn Stunden dreht er sich einmal um sich selbst. Das jedoch lässt Radiokarten verschwimmen, weil die Beobachtungen in diesen Wellenlängen normalerweise mehrere Minuten bis Stunden dauern – ähnlich einer Langzeitbelichtung bei einer Kamera.
Damit trotzdem scharfe Aufnahmen entstehen, entwickelten die Forscher eine Art nachträglicher Filterung: Eine eigens entwickelte Datenreduktions-Technik verrechnete die Eigenbewegung des Planeten mit den Bilddaten und „entschmierte“ die Aufnahmen. Die resultierenden Radiokarten zeigen den Jupiter im Frequenzbereich von 4 bis 18 Gigahertz nun so genau wie nie zuvor.
Hotspots und Aufstiegszonen
Die neuen Radiokarten enthüllen unter anderem, dass es zwischen dem 40. und 60. südlichen Breitengrad des Jupiter einige stark reflektierende Bänder gibt, die im sichtbaren Licht nicht erkennbar sind. Zudem sind zahlreiche „Hotspots“ in den Wolkenbändern zu sehen, Zonen, in denen ammoniakarmes Gas aus der Wolkenschicht in die Tiefe sinkt.
Zwischen diesen Absinkzonen entdeckten die Astronomen auffallende Ovale. Sie interpretieren diese als Plumes, in denen ammoniakreiches Gas aus mindestens 100 Kilometern Tiefe bis in die Wolkendecke aufsteigt. „Das widerspricht früheren Ergebnissen, nach denen es keine Orte geben soll, in denen das Ammoniak aus der Tiefe so hoch hinauf transportiert wird“, berichten die Forscher.
„Im Prinzip haben wir ein dreidimensionales Bild des Ammoniakgases in der Jupiteratmosphäre erzeugt, das uns die Auf- und Abwärtsbewegungen in der turbulenten Gashülle zeigt“, erläutert de Pater. Dies wiederum liefert wertvolle Hinweise darauf, wie die großen Umwälzströmungen auf dem Gasplaneten funktionieren und wie der Wärme- und Gastransport auf diesem und anderen großen Gasplaneten funktioniert. (Science, 2016, doi: 10.1126/science.aaf2210)
(University of California – Berkeley, 03.06.2016 – NPO)