Hätte der Mensch Augen für Radiostrahlung, würde er beim Blick in den Himmel von Zeit zu Zeit geblendet: durch Blitze, die zwar ungemein kurz dauern, doch auf der vierfachen Fläche des Vollmonds etwa 1.000-fach heller aufleuchten als die Sonne. Diese Radioblitze zeugen vom Aufprall extrem energiereicher Partikel der kosmischen Strahlung auf Atome und Moleküle der Erdatmosphäre. Sie stammen von den Schauern subatomarer Trümmerteilchen aus Materie und Antimaterie, die bei solchen Kollisionen entstehen. Ein internationales Team, darunter Astrophysiker des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, hat diese Blitze erstmals nachgewiesen. Weitere Beobachtungen sollen nun die Herkunft der rätselhaften ultrahochenergetischen Teilchenstrahlung aus dem Kosmos erhellen.
Die Wissenschaftler benutzten für ihre Entdeckung eine Batterie von Radioantennen und das große Feld von Teilchendetektoren des KASCADE-Grande-Experiments am Forschungszentrum Karlsruhe. Beide Detektorfelder wurden parallel betrieben. Auf diese Weise ließ sich jedes Mal, wenn ein hochenergetisches Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Erdatmosphäre traf, ein Radiosignal nachweisen. Mit Bildverarbeitungsprogrammen aus der Radioastronomie erstellten die Forscher außerdem digitale Filmsequenzen von diesen Ereignissen.
Die Stärke der ausgestrahlten Radiosignals ist direkt proportional zur Energie der kosmischen Strahlung. „Es erstaunt schon, dass wir mit einfachen Antennen direkt die Energie von Elementarteilchen aus dem Kosmos messen können“, sagt LOPES-Sprecher Heino Falcke von der Netherlands Foundation for Research in Astronomy (ASTRON). „Wenn wir empfindliche Radioaugen hätten, könnten wir den Himmel mit Radioblitzen funkeln sehen.“
Radioblitze überstrahlen Fernsehempfang
Einige der aufgezeichneten Radioblitze müssten in der Tat stark genug sein, um den konventionellen Radio- und Fernsehempfang für einen kurzen Zeitraum zu überstrahlen. Um diesen Effekt zu verdeutlichen, haben die Forscher das Signal der kosmischen Strahlung in ein Tondokument umgewandelt. Da jedoch die Radioblitze aus dem All nur jeweils 20 bis 30 Nanosekunden (milliardstel Sekunden) dauern, und weil die stärksten Ereignisse dieser Art im Mittel lediglich einmal pro Tag stattfinden, dürften sie sich kaum auf unseren Alltag auswirken.
Das Experiment hat außerdem gezeigt, dass die Intensität der Radiostrahlung von der jeweiligen Ausrichtung des Magnetfelds der Erde abhängt. Dieses Ergebnis und auch andere Resultate der Messungen bestätigen die Vorhersagen früherer theoretischer Rechnungen von Heino Falcke und seinem Doktoranden Tim Huege sowie von Peter Gorham, Universität Hawaii.
Energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung bombardieren die Erdatmosphäre und verursachen dort winzige Explosionen von Elementarteilchen – die ihrerseits einen Strahl von Materie- und Antimaterieteilchen bilden. Das geomagnetische Feld lenkt die leichtesten der geladenen Partikel (Elektronen und Positronen) ab, und dabei entsteht Radiostrahlung. Es ist der gleiche Mechanismus wie bei der mit Teilchenbeschleunigern in irdischen Labors erzeugten Synchrotronstrahlung. Analog dazu sprechen Astrophysiker von Geosynchrotronstrahlung und betonen so die Wechselwirkung mit dem Magnetfeld der Erde.
Nachweis von Luftschauern der kosmischen Strahlung
LOPES steht für „LOFAR Prototyp Experimental Station“. Die Anlage arbeitet mit Prototyp-Antennen des demnächst größten Radioteleskops der Erde (LOFAR). Vom Jahr 2006 an wird das Teleskop in den Niederlanden und einem Teil von Deutschland errichtet werden. Die LOPES-Empfänger sind einfache Antennenpaare – ganz ähnlich denen, die in gewöhnlichen Radioempfängern zum Einsatz kommen.
„Der Hauptunterschied zu normalen Radios liegt in der digitalen Elektronik und in den breitbandigen Empfängern, die es uns ermöglichen, eine Vielzahl unterschiedlicher Frequenzen gleichzeitig aufzunehmen“, sagt Andreas Horneffer, Doktorand der International Max Planck Research School for Radio and Infrared Astronomy an der Universität Bonn im Wissenschaftsmagazin Nature. Horneffer hat die Antennen als Teil seines Promotions-Projekts gebaut.
Die LOPES-Antennen sind in das KASCADE-Grande-Experiment zum Nachweis von Luftschauern der kosmischen Strahlung integriert. „Das zeigt den Vorteil eines größeren Experiments der Astroteilchenphysik in unserer direkten Nachbarschaft. Es gibt uns die Flexibilität, auch ungewöhnliche Ideen wie diese zu erforschen“, sagt Andreas Haungs, Sprecher des KASCADE-Grande Experiments. Und Harvey Butcher, Direktor der Netherlands Foundation for Research in Astronomy in Dwingeloo, ergänzt: „LOPES nimmt erste größere wissenschaftliche Ergebnisse des LOFAR-Projekts bereits in der Entwicklungsphase vorweg. Das stimmt uns zuversichtlich, dass LOFAR in der Tat so revolutionär herauskommen wird, wie wir uns das erhofft haben.“
Ungewöhnliche Kooperation aus Kernphysikern und Radioastronomen
LOFAR verbindet ein komplett neuartiges Design mit einer Vielzahl von billigen Niederfrequenzantennen, die Radiosignale aus jeder Richtung des Himmels gleichzeitig aufnehmen können. Die einzelnen Stationen sind über ein Hochgeschwindigkeits-Internet verbunden, und mittels eines Supercomputers können ungewöhnliche Signale entdeckt und Radiobilder ausgedehnter Regionen des Himmels erstellt werden, ohne auch nur ein mechanisches Teil zu bewegen.
„Es stellt in der Tat eine ungewöhnliche Kombination dar, wenn Kernphysiker und Radioastronomen zusammenarbeiten, um ein einzigartiges Experiment der Astroteilchenphysik auf die Beine zu stellen“, sagt Anton Zensus, leitender Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
(MPG, 20.05.2005 – DLO)