Quelle gefunden? Astronomen haben erstmals die genaue Quelle eines kosmischen Radioblitzes lokalisiert. Der ultrakurze Radiopuls stammt demnach aus einer drei Milliarden Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie. Rätselhaft bleibt jedoch, wie diese eher unauffällige Galaxie diese energiereichen Radioblitze erzeugt – und ob eine nahegelegene Quelle stetiger schwacher Radiowellen dafür eine Rolle spielt, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Seit Jahren rätseln und diskutieren Astronomen über den Ursprung der ultrakurzen kosmischen Radioblitze. Diese Fast Radiobursts (FRB) sind sehr intensiv, halten aber nur Millisekunden an – was ihre Ortung erschwert. Anfang 2016 glaubten Forscher, einen dieser Blitze einer sechs Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie zuordnen zu können, doch wenig später gab es daran schon wieder Zweifel.
Auf die Lauer gelegt
Jetzt jedoch ist endlich eine genauere Ortung gelungen – dank eines sehr ungewöhnlichen Radiobursts, von dem seit 2012 gleich mehrfache Pulse vom Arecibo-Teleskop in Puerto Rico aufgefangen wurden. Astronomen um Shami Chatterjee von der Cornell University haben die Chance genutzt und sich mit dem Radioteleskopverbund des Very Large Array (VLA) in den USA auf die Lauer gelegt.
Als FRB 121102 am 23. August 2016 erneut einen Radioblitz aussendete, gelang es den Forschern, durch die räumlich weit auseinanderstehenden Teleskope, den Ursprung des Blitzes bis auf zehn Millibogensekunden genau zu ermitteln – so genau wie noch nie zuvor bei einem Radioburst. „Die Genauigkeit der Ortung entspricht der Größe eines Tennisballs in New York, den man von den Niederlanden aus anschaut“, erklärt Koautor Cees Bassa vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON).
Verblüffend unauffälliger Galaxienzwerg
Aber was war die Quelle des Radioblitzes? Die VLA-Daten zeigten, dass der Radioblitz von einer Stelle am Himmel ausging, an der nahebei eine stetige, aber sehr schwache Radioemission messbar war. Um mehr herauszufinden, richteten die Forscher das optische Teleskop des Gemini North Observatoriums auf Hawaii auf diese Region.
Das überraschende Ergebnis: Statt einer großen Sternenwiege oder eines anderweitig dramatischen kosmischen Phänomens fanden die Astronomen – eine kleine, schwach vor sich hin glimmende Zwerggalaxie. „Wir waren nicht sicher, was uns erwarten würde, aber das gesamte Team war überrascht, als sich unsere vermeintlich exotische Quelle als unauffällige, leuchtschwache Galaxie entpuppte“, sagt Bassa.
Eindeutig extragalaktisch
Die Wirtsgalaxie des ultrakurzen Radioblitzes ist kaum leuchtstärker als die Kleine Magellansche Wolke in unserer kosmischen Nachbarschaft. Wahrscheinlich hat sie nicht mehr Masse als rund eine Milliarde Sonnen – für eine Galaxie ist dies eher klein. Zum Vergleich: Unsere Milchstraße umfasst rund 400 Milliarden Sonnenmassen.
Immerhin half die Verortung der Blitzquelle in dieser Galaxie dabei, die genaue Entfernung festzulegen: Aus der Rotverschiebung des Sternenlichts schließen die Forscher, dass die Quelle dieser seltsam seriellen Radioblitze drei Milliarden Lichtjahre von uns entfernt liegt. „Das gibt uns die eindeutige Bestätigung, dass die Quelle dieses Radioblitzes tief im extragalaktischen Raum liegt“, sagt Bassa. Ein Ursprung innerhalb der Milchstraße, wie teilweise diskutiert, scheidet damit aus.
Viele Rätsel bleiben
Wie jedoch dieser ferne Galaxienzwerg so starke Radioblitze von sich geben kann, ist ein echtes Rätsel. Auch die Astronomen können bisher nur spekulieren. Bekannt ist, dass Zwerggalaxien noch relativ viel ursprüngliches Gas enthalten, aus dem besonders massereiche Sterne entstehen können. „Vielleicht stammt der Radioburst vom kollabierten Rest eines solchen Sterns“, mutmaßt Koautor Jason Hassels vom ASTRON. Ein rotierender Neutronenstern gilt schon länger als eine der möglichen Quellen für die Fast Radiobursts.
Möglich wäre aber auch, dass die Radioblitze von einem aktiven Schwarzen Loch im Zentrum der Zwerggalaxie ausgehen, das gerade Materie verschluckt. Interessant ist auch, dass FRB 121102 seinen Ursprung nur maximal 100 Lichtjahre von der stetigen schwachen Radioquelle entfernt hat. Ob beide Objekte voneinander unabhängig sind, wechselwirken oder vielleicht sogar einen gemeinsamen Ursprung haben, ist bisher offen.
„Die Quellgalaxie dieses Radioblitzes zu finden und ihre Entfernung zu bestimmen ist ein großer Schritt vorwärts“, sagt Chatterjee. „Aber es bleibt noch viel zu tun, bis wir vollkommen verstehen, was diese Phänomene wirklich sind.“ Unklar ist zudem noch, ob alle Radiobursts gleich sind, oder ob FRB 121102 ein Sonderfall ist – er ist immerhin der einzige sich wiederholende unter den 18 bisher bekannten. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature20797)
(NRAO, Universities Research Association, Netherlands School for Astronomy, 05.01.2017 – NPO)