Passt nicht in gängige Kategorien: Astronomen haben periodische Radiopulse entdeckt, die zu keiner der bisher bekannten Strahlenquellen passen. Ihr Urheber hat eine Rotationsperiode von 76 Sekunden ist damit zu langsam für einen Pulsar. Gleichzeitig fehlt die Röntgenstrahlung, die typische Magnetare auszeichnet. Auch die erstaunliche Variabilität der Radiopulse gibt den Astronomen Rätsel auf, wie sie in „Nature“ berichten. Möglicherweise handele es sich um eine ganz neue Klasse von Neutronensternen.
Neutronensterne gehören zu den dichtesten Objekten im Kosmos. In diesen Überresten von Supernova-Explosionen ist die Materie so stark komprimiert, dass sogar Elektronen und Protonen zu Neutronen verschmelzen. Auf einem Radius von nur rund zwölf Kilometern ist in ihnen die doppelte Masse der Sonne konzentriert. Oft rotieren Neutronensterne sehr schnell und senden durch Interaktion mit ihrem Magnetfeld starke, fokussierte Strahlenbündel aus – bei Pulsaren im Radiobereich, bei Magnetaren meist im Röntgen- und Gammastrahlenbereich.
Radiopulse aus einem Supernova-Relikt
Doch jetzt haben Astronomen um Manisha Caleb von der University of Manchester eine pulsierende Radioquelle entdeckt, die in keine der gängigen Klassen passt. Der erste Puls dieses PSR J0901-4046 getauften Objekts wurde durch Zufall bei einer Durchmusterung mit dem MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika entdeckt. Als die Forschenden daraufhin diesen Himmelsausschnitt länger belauschten, fingen sie 14 weitere Radiopulse, regelmäßig verteilt über rund 30 Minuten, ein.
Doch woher kamen diese Pulse? Nähere Untersuchungen ergaben, dass in dem Herkunftsgebiet der Radiopulse zwar kein bekannter Pulsar lag, wohl aber ein möglicher Supernova-Überrest: „Die tiefsten Aufnahmen zeigen eine teilweise sichtbare, schalenartige Struktur, die PSR J0901-4046 umgibt – das könnte ein Relikt des Ereignisses sein, dass diesen Neutronenstern schuf“, erklärt das Team. Denn die Merkmale des Objekts legen nahe, dass es sich um einen dieser dichten Sternenreste handelt.
Passt weder zu Pulsaren noch zu Magnetaren
Das Merkwürdige jedoch: Mit einer Pulsperiode von knapp 76 Sekunden passt dieser neu entdeckte Neutronenstern zu keiner bisher bekannten Art von pulsierendem Objekt. Zwar entspricht die Energie der ausgestrahlten Radiopulse in etwa der klassischer Radiopulsare, diese haben aber typischerweise Rotationsperioden von 1,4 Millisekunden bis maximal 23,5 Sekunden. PSR J0901-4046 ist demnach viel zu langsam, wie die Astronomen erklären. Anders als bei gängigen Radiopulsaren ist die Strahlung dieser Quelle zudem stärker zirkulär als linear polarisiert.
Aber auch zu einem Magnetar passen die Merkmale nicht: Zwar können diese eine so langsame Pulsfrequenz zeigen, wenn sie schon älter sind und sich ihre Rotation verlangsamt hat. „Wenn Magnetare aber Radiowellen abgeben, emittieren sie typischerweise auch Röntgenstrahlen“, schreiben Caleb und sein Team. Doch das Röntgenteleskop Swift konnte aus Richtung der Radioquelle keine Röntgenemission detektieren.
Sieben Sorten Radiopulse von einem Objekt
Hinzu kommt, dass die Radiopulse von diesem Objekt außergewöhnlich variabel sind: „Es scheint mindestens sieben verschiedene Pulsarten zu geben“, berichtet Calebs Kollege Ben Stappers. Die Spanne reicht von zu normalen eingipfeligen Strahlenpulsen über Pulse mit einer Doppelspitze oder zwei bis drei deutlich getrennten Peaks bis zu Radiopulsen, die eine quasiperiodische oder „stachelige“ Unterstruktur aufweisen. „Trotz dieser enormen Variabilität in den Pulsprofilen liegen ihre Energien aber alle mehr oder weniger im gleichen Bereich“, berichten die Astronomen.
Ungewöhnlich auch: Die lange Abstände der Pulse deuten auf eine relativ langsame Rotation des Neutronensterns hin. Gängigen Modellen zufolge gerät er damit jedoch in eine „tote Zone“, in der Neutronensterne eigentlich keine Radiostrahlung mehr produzieren können. Denn die Interaktion mit dem Magnetfeld ist dann nicht mehr stark genug, um an den Polen die nötige Potentialdifferenz für die Strahlenproduktion zu erzeugen. „PSR J0901-4046 liegt über dieser Todeslinie“, konstatieren die Forschenden.
Allerdings gibt es eine theoretische Möglichkeit, diese „Todeszone“ zu umgehen: Wenn ein Neutronenstern ein multipolares Magnetfeld hat, können Teilchenströme entstehen, die trotzdem eine Entstehung von Radiostrahlung ermöglichen, wie das Team erklärt. Indizien für solche multipolaren Magnetfelder wurden schon bei einigen Magnetaren gefunden.
Eine neue Klasse von Neutronensternen?
Was aber sagt uns all dies übe die Natur der Strahlenquelle? „Die Radioemission dieses Neutronensterns ist anders als alles, was wir bisher gesehen haben“, erklärt Stappers. Wie sie entsteht und was für eine Art Neutronenstern dahintersteckt, ist vorerst rätselhaft. DIe Astronomen vermuten aber, dass PSR J0901-4046 möglicherweise zu einer bisher nur theoretisch postulierten Klasse von Neutronensternen gehören könnte: ultralanglebigen Magnetaren mit extrem starken Magnetfeldern.
Zwar senden solche stark magnetisierten Neutronensterne normalerweise energiereiche, schnelle Pulse von Röntgen- und Gammastrahlen aus. Der Theorie nach könnte es aber alte, schon stark abgebremste Magnetare geben, die zu Radioemittern werden. Das Spannende daran: Solche ultralangperiodischen Neutronensterne stehen auch im Verdacht, die Urheber einiger Fast Radiobursts (FRB) zu sein, ultrakurzen, aber extrem starken Radiopulsen.
Spitze eines Eisbergs
Die Astronomen hoffen, in Zukunft noch mehr Radiopulse von solchen exotischen Quellen einzufangen, denn sie sehen in PSR J0901-4046 nur die Spitze eines Eisbergs: „Es ist wahrscheinlich, dass es in der Galaxis noch viel mehr solcher sehr langsam rotierenden Quellen gibt“, sagt Caleb. „Das hat wichtige Auswirkungen auf unsere Vorstellungen von der Entstehung und dem Altern von Neutronensternen.“
Allerdings ist das Aufspüren solcher Objekte nicht einfach: „Die meisten Pulsardurchmusterungen suchen nicht nach so langen Perioden, so dass wir keine Ahnung haben, wie viele dieser Quellen es insgesamt geben könnte“, erklärt die Astronomin. „In diesem Fall war die Quelle hell genug, dass wir die einzelnen Pulse mit dem MeerTRAP-Instrument am MeerKAT nachweisen konnten.“ (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01688-x)
Quelle: University of Manchester, University of Sydney