Mysteriöse Signale: Astronomen rätseln über Radiopulse von einem unbekannten Objekt in 4.000 Lichtjahre Entfernung. Denn die Merkmale der Radiosignale passen zu keiner bekannten kosmischen Quelle. Die Pulse sind weniger als eine Minute lang, haben aber einen Abstand von gut 18 Minuten. Zwischen den beiden 30-tägigen Aktivitätsphasen verstummte die Quelle zudem wochenlang, wie das Team in „Nature“ berichtet. Welches kosmische Objekt diese Radiopulse hervorbringt, ist noch unklar.
Im Kosmos gibt es viele Phänomene, die kurzlebige oder periodische Radiowellenschübe erzeugen – darunter Sternexplosionen, rotierende Neutronensterne oder veränderliche Sterne. Typischerweise sind die transienten Signale von Pulsaren oder Fast Radiobursts nur Millisekunden lang. Die Radiowellen einer Supernova hingegen beginnen zwar plötzlich, halten aber über Tage bis Wochen an.
Radiopulse aus 4.000 Lichtjahre Entfernung
Doch jetzt haben Astronomen um Natasha Hurley-Walker vom International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR) in Australien Radiopulse entdeckt, die zu keiner der bekannten Kategorien passt. Eingefangen wurden die Signale vom Murchison Widefield Array (MWA), einem Radioteleskop in Westaustralien. Mit ihm wurde bereits das Milchstraßenzentrum im Radiobereich kartiert, es überwacht den Himmel aber auch auf transiente Radiosignale hin.
Für ihre Studie hatten die Astronomen archivierte Daten des Radioteleskops mithilfe eines neuentwickelten Suchalgorithmus nach transienten Radiosignalen durchforstet. Dabei stießen sie in den Daten von Januar und Februar 2018 auf 71 energiereiche Radiopulse, die alle von derselben Quelle zu stammen schienen. Diese liegt rund 4.000 Lichtjahre von uns entfernt – nach Maßstäben der Radioastronomie ist dies gewissermaßen in unserem galaktischen Hinterhof.
Nie zuvor gesehenes Pulsmuster
Das Merkwürdige jedoch: Die einzelnen Radiopulse waren jeweils 30 bis 60 Sekunden lang und wiederholten sich im Abstand von jeweils 18,18 Minuten. „Dies ist eine ungewöhnliche Periodizität, die unseres Wissens nach noch niemals zuvor beobachtet worden ist“, berichten die Astronomen. Denn die (GLEAM-X) J162759.5-523504.3 getaufte Radioquelle liegt mit diesem „Blinkmuster“ genau zwischen den langsamen und schnellen Transienten.
Ungewöhnlich auch: In zwei jeweils 30 Tage langen Phasen sendete die Quelle diese Radiopulse regelmäßig wie ein Uhrwerk. „Immer dann, wenn wir den nächsten Puls erwarteten, traf er auch ein – es gab keine Ausfälle zwischendurch“, so das Team. Zwischen diesen beiden „An“-Phasen gab es jedoch eine 26 Tage lange Pause, in der gar keine Pulse detektiert wurden. „Das ist völlig unerwartet“, sagt Hurley-Walker. „Für einen Astronomen ist das fast schon unheimlich, denn es gibt am Himmel nichts Bekanntes, das sich so verhält.“
Rätsel um die Ursache der Signale
Was könnte die Ursache dieser rätselhaften Radiopulse sein? Bisher können die Astronomen darüber nur spekulieren. Aus der Tatsache, dass die Radiosignale stark linear polarisiert sind, schließen sie aber, dass die Quelle ein starkes Magnetfeld besitzen muss. Die Helligkeitsverteilung spreche dafür, dass das Objekt kompakt und eher klein sei, so das Team. Die Regelmäßigkeit der Pulse könnte zudem darauf hindeuten, dass die Quelle rotiert oder sich in einem Orbit bewegt.
Denkbar wäre, dass die Radiopulse von einem stark magnetisierten Weißen Zwerg oder Neutronenstern kommen. Wenn diese kompakten Sternenreste ein starkes Magnetfeld besitzen und rotieren, kann dies theoretisch zur Freisetzung von engen Kegeln aus Radiostrahlung an den Polen führen, die bei uns dann als Radiopulse ankommen. Allerdings haben bekannte Pulsare und Magnetare typischerweise Pulsperioden von weniger als zehn Sekunden.
Langsamer Magnetar als Urheber?
Eine Möglichkeit wäre jedoch, dass die Radiopulse von einem sogenannten ultralangperiodischen Magnetar ausgehen: „Die Existenz solcher langsam rotierenden Neutronensterne wurde bereits theoretisch vorhergesagt“, erklärt Hurley-Walker. „Aber keiner hat erwartet, ein solches Objekt direkt detektieren zu können, weil sie als nicht sonderlich strahlungsintensiv galten.“ Dieser Magnetar müsste daher seine magnetische Energie auf besonders effiziente Weise in Radiostrahlung umwandeln.
Leider ist die rätselhafte Radioquelle inzwischen verstummt – seit ihrer zweiten aktiven Phase im Februar 2018 wurden keine Radiopulse mehr detektiert. Das Astronomenteam überwacht das Objekt nun engmaschig, um zu schauen, ob es wieder aktiv wird. „Wenn es das tut, sind mehrere Teleskope auf der südlichen Hemisphäre bereit, es sofort anzuvisieren“, sagt Hurley-Walker. Sie wird zudem in den Archivdaten des Murchison Widefield Array nach möglichen weiteren Radioquellen dieser Art fahnden.
„Mehr solche Funde könnten uns verraten, ob es sich um ein einmaliges Ereignis handelte oder um den ersten Vertreter einer ganzen Population“, erklärt die Astronomin. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04272-x)
Quelle: International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR)