Aminosäuren auf dem Mond? Seit gut 40 Jahren geben organische Rückstände in Mondgestein-Proben der Apollo-Missionen Rätsel auf. Jetzt erst haben NASA-Forscher die Herkunft dieser Lebensbausteine geklärt: Ein Großteil der im Mondgestein entdeckten Aminosäuren stammt von der Erde – sie gelangten durch Kontamination in die Proben. Ein kleinerer Teil aber wurde von Meteoriten auf den Mond befördert.
Die Oberfläche des Mondes ist nicht gerade lebensfreundlich: Zwar gibt es kleinste Mengen Wasser im Mondgestein, ansonsten ist sie aber weitgehend ungeschützt dem Sonnenwind und den harschen Bedingungen des Weltraums ausgesetzt. Umso überraschter waren Forscher daher, als sie in Proben des von Apollo-Astronauten Anfang der 1970er Jahre zur Erde zurückgebrachten Mondgesteins organische Moleküle entdeckten. Darunter waren auch verschiedenste Aminosäuren, die Bausteine von Proteinen.
Rätselhafte Herkunft
Woher diese Aminosäuren stammten, blieb damals rätselhaft. „Die Wissenschaftler in den 1970ern versuchten mit allen Mitteln, diese Frage zu lösen, aber ihre analytisch-technischen Möglichkeiten waren damals noch zu begrenzt“, erklärt Jamie Elsila vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt. „Jetzt aber haben wir die nötige Technologie.“
Elsila und seine Kollegen untersuchten nun mehrere Apollo-Proben, die seit den 1970ern in speziellen Laboren der NASA gelagert werden, mit Hilfe modernster Analysetechnik, darunter auch Isotopen-Analysen. Tatsächlich fanden auch sie in allen Proben des Mondgesteins Aminosäuren – wenn auch in sehr geringen Mengen. Ihre Konzentration reichte von 105 bis zu 1.910 parts per billion (Teilchen pro einer Milliarde Teilchen).
Vier mögliche Quellen
Theoretisch könnten diese Lebensbausteine aus vier Quellen stammen, wie die Forscher erklären: Zum einen könnte der Sonnenwind Teilchen auf die Mondoberfläche gebracht haben, die dort die Aminosäuren entstehen ließen. Möglich wäre aber auch ein Eintrag durch Meteoriteneinschläge, denn man weiß schon seit längerem, dass diese Moleküle auch durch chemische Reaktionen im Inneren von Asteroiden gebildet werden.
Denkbar wären allerdings auch zwei viel prosaischere Ursprünge: Die Aminosäuren könnten einerseits durch den Ausstoß der Raketentriebwerke der Apollo-Landemodule erzeugt worden sein. Zum anderen aber könnte es sich schlicht um eine nachträgliche Kontamination durch irdische Moleküle handeln, wie die Wissenschaftler erklären.
Weder Sonnenwind noch Raketen-Ausstoß
Wie sich zeigte, scheidet der Sonnenwind als Quelle der lunaren Aminosäuren aus: Hätte er die Lebensbausteine zum Mond gebracht, dann müsste in Mondproben aus den oberen Gesteinsschichten mehr Aminosäuren zu finden sein als in den tieferen, geschützteren Schichten. Doch das war nicht der Fall, wie die Forscher berichten.
Auch den Raketen-Ausstoß schließen die neuen Analysen als Quelle aus, denn Proben aus weiter von den Landeplätzen entfernten Stellen enthielten genauso viele Aminosäuren wie die nahe der Sonden entnommenen. Die dritte Möglichkeit, ein Eintrag durch Meteoriten, scheint dagegen zumindest zu einem kleinen Teil zuzutreffen: Einige der Proben enthielten Aminosäuren, die auf der Erde extrem selten sind, in Asteroiden aber häufig vorkommen, darunter die Alpha-Amino-Isobuttersäure AIB.
Kontamination trotz Vorsichtsmaßnahmen
Der weitaus größte Teil der Lebensbausteine aber stammt gar nicht vom Mond, wie die Forscher herausfanden. „Wir haben festgestellt, dass die meisten Aminosäuren aus terrestrischer Kontamination kommen, nur ein kleiner Teil wurde von Meteoriten auf den Mond gebracht“, sagt Elsila. Offenbar wurden die Mondproben trotz der strengen Vorsichtsmaßnahmen durch irdische Moleküle verunreinigt.
Indiz dafür waren neben dem sehr erdtypischen Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope C-13 und C-12 in den Aminosäuren die Struktur der Moleküle: Aminosäuren kommen in zwei Symmetrieformen vor, einer linkshändigen und einer rechtshändigen. Während bei einer rein chemischen Synthese beide Formen zu gleichen Anteilen entstehen, wird bei biologischen Reaktionen in Organismen bevorzugt die linkshändige Version gebildet – und genau diese dominierte auch in den Mondproben.
Konsequenzen für künftige Missionen
„Das zeigt, dass selbst mit sorgfältigen Vorsichtsmaßnahmen extraterrestrische Proben durch irdische Moleküle verunreinigt werden können“, konstatiert Elsila. Ob die Mondproben bereits beim Einsammeln auf der Mondoberfläche durch Kontakt mit irdischem Material verunreinigt wurden oder erst bei der Lagerung auf der Erde, ist bisher unklar.
Die neuen Ergebnisse haben große Bedeutung für geplante Proben-Missionen zum Mars und zu Asteroiden. Denn sie demonstrieren, dass die Maßnahmen gegen eine solche Kontamination verbessert und immer Vergleichsproben möglicher Kontaminationsquellen genommen werden müssen, wie die Forscher betonen. (Geochimica et Cosmochimica Acta, 2015; doi: 10.1016/j.gca.2015.10.008)
(NASA/Goddard Space Flight Center, 02.11.2015 – NPO)