Nach 40 Jahren aufgeklärt: Das pulsierende Polarlicht des Jupiter ist nicht nur riesig und energiereicher als alle irdischen Gegenparts – auch seine Entstehung ist anders. Den Mechanismus dahinter haben nun parallele Messungen der NASA-Raumsonde Juno und des XMM-Newton Röntgenteleskops enthüllt. Sie zeigen, wie geladene Teilchen Millionen Kilometer durchs All rasen, um dann von speziellen Wellen angetrieben schubweise zurück zum Jupiter zu fallen.
Das Polarlicht des Planeten Jupiter ist so energiereich, dass seine Radiowellen sogar die Erde erreichen. Der Erfinder und Radiopionier Nikola Tesla fing dieses pulsierende Rauschen schon um 1900 auf – ohne damals zu ahnen, was diese Pulse verursacht. Seither haben Teleskop-Messungen gezeigt, dass die Jupiter-Auroren starke Strahlung in nahezu allen Wellenlängen aussenden. Verantwortlich für das Leuchten sind angeregte Sauerstoff- und Schwefel-Ionen, die vom Vulkanmond Io zum Jupiter geschleudert wurden.
Rätselhafte Eigenheiten
Trotzdem gibt das Polarlicht des Jupiter noch immer mehrere Rätsel auf. Anders als auf der Erde konzentrieren sich die Leuchterscheinungen nicht im sogenannten Polarlichtoval zwischen 65 und 80 Grad Breite, sondern reichen bis direkt über die Pole. Das legt nahe, dass die Magnetfeldlinien des Jupiter an den Polen nicht offen sind, sondern in einem Bogen von einem Pol zum anderen reichen müssen.
Ebenfalls ungewöhnlich ist die lange Dauer der Jupiter-Auroren: „Beobachtungen zeigen, dass die Röntgen-Polarlichter mehrere Jupitertage oder sogar länger anhalten“, erklären Zhonghua Yao von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen. „Das deutet darauf hin, dass der Treiber kein kurzlebiger Prozess wie eine magnetische Rekonnexion ist.“ Auch das Pulsieren der Jupiter-Auroren spricht dagegen, zumal die Nord- und Südpolarlichter unabhängig voneinander zu pulsieren scheinen.
„Selbst heute, 40 Jahre nach ihrer Entdeckung, sind die Mechanismen unbekannt, die die Röntgen-Auroren des Jupiter verursachen“, erklären die Wissenschaftler.
Teamwork von Juno und XMM-Newton
Das Problem: Um den Prozess zu entschlüsseln, muss man das Magnetfeld vor Ort messen und gleichzeitig die Aurora-Strahlung einfangen. Genau dies ist nun Yao und seinem Team gelungen. Als am 16. Juli 2017 erneut eine Aurora über dem Jupiter-Nordpol leuchtete, haben sie diese 26 Stunden lang mit dem europäischen XMM-Newton-Röntgenteleskop beobachtet.
Parallel dazu tauchte die NASA-Raumsonde Juno in das Magnetfeld des Jupiter ein. Aus einer Entfernung von 66 bis 68 Jupiterradien lieferte sie Messdaten unter anderem zur Plasmadichte und der Magnetfeldstärke und -ausrichtung. Die Sonde bewegte sich damit genau in dem Bereich, in dem die Magnetfeldlinien des Gasriesen von einem Pol zum anderen ziehen.
Zyklotron-Welle lässt Ionen surfen
Die kombinierten Messdaten enthüllten: Die Pulse der jovianischen Röntgen-Aurora haben ihren Ursprung weit vom Jupiter entfernt. Wie zuvor vermutet „surfen“ dort die Sauerstoff- und Schwefel-Ionen auf den polaren Magnetfeldlinien von einem Pol zum anderen. Auf diesem Weg werden sie durch eine spezielle Art der elektromagnetischen Welle schubweise beschleunigt, so dass das typische Pulsieren entsteht, wie Yao und seine Kollegen herausfanden.
Verantwortlich dafür sind sogenannte elektromagnetische Ionen-Zyklotron-Wellen (EMIC). Sie entstehen im äußeren Magnetfeldbereich, wenn der Sonnenwind auf das Magnetfeld trifft und es zusammendrückt. Dabei wird Energie frei, die diese Schwingungen verursacht und die Ionen in Schüben zurück zum Planeten rasen lässt. Dieser Teilchensturm wiederum löst das Polarlicht-Leuchten aus.
Relevant auch für andere Planeten
Damit haben Astronomen erstmals die ganze Kette der Ereignisse mitverfolgt, die hinter dem pulsierende Polarlicht des Jupiter steckt: „In den Juno-Daten sehen wir diese ganze Abfolge der Ereignisse: Wir sehen die Kompression des Magnetfelds, wir sehen, wie die EMIC-Welle entsteht, wir sehen die Ionen und den Ionenpuls, der entlang der Magnetfeldlinie rast“, sagt Koautor William Dunn vom University College London. „Ein paar Minuten später detektiert dann XMM-Newton die Röntgenstrahlen eines Polarlichtpulses.“
Die neuen Ergebnisse bestätigen nicht nur frühere Vermutungen und Modelle, sie könnten auch für das Verständnis der Polarlichter auf anderen Planeten relevant sein. „Dies ist fundamentaler Prozess, der auch auf Saturn, Uranus, Neptun und wahrscheinlich auch Exoplaneten vorkommen kann“, sagt Yao. Unterschiede gibt es dabei primär in der Sorte der Ionen, die durch solche EMIC-Wellen bewegt werden: Beim Jupiter sind es Sauerstoff und Schwefel, beim Saturn vor allem ionisiertes Wasser vom Saturnmond Enceladus.
Beim Mars und der Erde könnte dieser Mechanismus für die seltenen Protonen-Auroren verantwortlich sein. „Es könnte sein, dass die EMIC-Wellen im Kosmos generell eine wichtige Rolle dabei spielen, Energie umzuverteilen“, mutmaßt Dunn. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abf0851)
Quelle: ESA