Mysteriöses Mineral: Im Juli 2015 förderte der Marsrover „Curiosity“ bei einer Bohrung einen überraschenden Fund zutage – ein Mineral, das es auf dem Mars eigentlich nicht geben dürfte. Denn das seltene Tridymit entsteht normalerweise beim schnellen Abkühlen von siliziumreicher Lava. Doch diese gibt es am Fundort des Minerals im marsianischen Gale-Krater nicht. Wie das Tridymit trotzdem entstanden sein kann, haben Forschende nun aufgeklärt.
Der Marsrover Curiosity hat im Laufe seiner Erkundungsfahrten im Gale-Krater schon einige überraschende Erkenntnisse über die Geologie und frühere Entwicklung des Mars geliefert. Seine Messdaten haben die Existenz organischer Moleküle im Marssediment nachgewiesen, sie deuten darauf hin, dass die Mars-Atmosphäre einst sauerstoffreich war und dass im Gale-Krater einst ein potenziell lebensfreundlicher Süßwassersee existierte.
Überraschender Fund
Doch ein Fund vom 30. Juli 2015 gibt bis heute Rätsel auf: Bei einer Probennahme aus dem Sediment des urzeitliche Marsgewässers förderte der Curiosity-Rover ein feines, graues Pulver zutage, dessen chemische Zusammensetzung für Überraschung sorgte. Denn diese „Buckskin“ getaufte Probe enthielt rund 74 Prozent Siliziumdioxid – für die vorwiegend basaltisch geprägte Kruste des Roten Planeten war dies ungewöhnlich. Noch erstaunlicher war, dass unter diesen Silikaten auch fast 16 Prozent monoklines Tridymit waren.
„Die Entdeckung von Tridymit im Sediment des Gale-Kraters ist einer der überraschendsten Funde, die der Curiosity-Rover in seiner zehnjährigen Mars-Erkundung gemacht hat“, sagt Koautorin Kirsten Siebach von der Rive University in Texas. Tridymit entsteht, wenn Silikate erst stark erhitzt und dann schnell abgekühlt werden. Schon auf der Erde ist diese Hochtemperatur-Modifikation des Quarzes extrem selten, sie wurde bisher nur an zwei Vulkanen in Japan und einem Fundort auf Grönland gefunden.
Wie kam das Tridymit in den Marskrater?
Auf dem Mars und speziell im Gale-Krater hätten Geologen keine so hohen Konzentrationen von Tridymit erwartet. „Typischerweise entsteht Tridymit aus felsischem Magma, das auf dem Mars selten vorkommt“, erklären Siebach, Erstautorin Valrerie Payré von der Northern Arizona University und ihre Kollegen. „Es gibt zwar reichliche Zeugnisse für basaltische Eruptionen auf dem Mars, aber dies ist eine andere Chemie.“ Auch im Gale-Krater gibt es keine Hinweise auf Vulkane mit siliziumreichem Magma.
Hinzu kommt: „Wir haben dieses Mineral am Grund eines urzeitlichen Seen gefunden“, so Siebach. Das Herkunftsgestein ist nicht magmatischer Herkunft, sondern besteht vorwiegend aus alten Sedimenten. Um herauszufinden, wie das Tridymit in diese Umgebung gelangt sein könnte, hat das Team noch einmal alle denkbaren Entstehungsszenarien durchgespielt und mit Daten aus dem Gale-Krater verglichen.
Von der Magmakammer in den See
Das Ergebnis: Ursprung des Tridymits ist wahrscheinlich ein weiter entfernter Marsvulkan, dessen Magma länger als gewöhnlich in der Magmakammer blieb und dabei teilweise abkühlte. Dadurch sanken schwerere, teilweise schon auskristallisierte Bestandteile nach unten und leichtere, silikatreiche Anteile des Magmas stiegen nach oben. Beim Ausbruch des Vulkans wurde dann vorwiegend dieser silikatreiche, auch das Tridymit enthaltende Teil der Gesteinsschmelze in Form von Lava und Asche ausgeschleudert.
„Basierend auf den Beobachtungen aus dem Gale-Krater muss es im Hesperian-Zeitalter vor 3,5 bis 3 Milliarden Jahren mindestens einen Fall von explosivem, silikatischem Vulkanismus auf dem Mars gegeben haben“, schreiben Payré und ihre Kollegen. Die Asche dieser Eruption wurde vom Wind bis zum Gale-Krater geweht, wo sie über dem See und den einmündenden Flüssen niederging und sich allmählich auf dem Grund absetzte und dadurch anreicherte.
„Weil wir dieses Mineral nur in dieser einen Schicht und in hoher Konzentration gefunden haben, muss der Vulkan etwa in der Zeit ausgebrochen sein, als auch der See existierte“, sagt Siebach. „Zudem deuten die Analysen darauf hin, dass die Asche chemisch verwittert und von Wasser sortiert worden ist.“ Auch das spreche für die Ablagerung der Vulkanasche auf dem See.
„Keine rein basaltische Welt“
Nach Ansicht des Forschungsteams legen diese Ergebnisse nahe, dass der Vulkanismus des Roten Planeten vielfältiger und komplexer gewesen sein könnte als bisher angenommen. „Laufende und zukünftige Missionen sollten nach weiteren Belegen für einen geologisch entwickelten Vulkanismus und seine Dauer suchen“, konstatieren die Wissenschaftler. „Mars ist nicht keine rein basaltische Welt.“ (Earth and Planetary Science Letters, 2022; doi: 10.1016/j.epsl.2022.117694)
Quelle: Rice University