Astronomie

Rätsel früher Galaxien-Giganten gelöst?

Für die Bildung der produktivsten Galaxien im Kosmos war keine Kollision nötig

Eine extrem leuchtstarke Region des fernen Kosmos im Submillimeterbereich. © Robert Thompson / NCSA

Mysteriöse Monster: Submillimeter-Galaxien sind produktiver und strahlen heller als alle anderen Sternenansammlungen im Kosmos. Aber warum? Jetzt zeigt ein astrophysikalisches Modell: Für die Bildung dieser Giganten war keine dramatische Galaxienkollision nötig, wie bisher angenommen. Stattdessen wurden sie durch eine positive Rückkopplung und eine Kombination günstiger Faktoren so riesenhaft, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Sie sind die Giganten des Kosmos: Ferne Galaxien, die so hell leuchten wie 300 Billionen Sonnen und tausendfach mehr Sterne produzieren als unsere Milchstraße. Trotz ihres enormen Energieausstoßes wurden diese Galaxien-Giganten jedoch erst vor kurzem entdeckt. Der Grund dafür: Ein dichter Schleier aus interstellarem Staub absorbiert ihr Licht und wandelt es in langwellige Infrarot- und Submillimeterstrahlung um. Erkannt wurden die Submillimeter-Galaxien daher erst, als man das Universum in diesen Wellenlängen zu durchmustern begann.

Kollision oder verstärktes Wachstum?

Einige Astronomen vermuten, dass die Submillimeter-Riesen durch die Kollision „normaler“ Galaxien gebildet wurden. Dies könnte einen starken, aber kurzlebigen Schub der Sternenbildung ausgelöst haben. Andere sehen in diesen Galaxien nur ein Extrem der ganz normalen Prozesse, durch die Galaxien wachsen. Im Laufe von Milliarden Jahren führt demnach die Ansammlung von immer mehr Gas zu einer anhaltend hohen Sternbildungsrate.

Allerdings: Keine der beiden Theorien konnte die beobachteten Eigenschaften der Submillimeter-Galaxien bisher vollständig erklären. Desika Narayanan vom Haverford College in Pennsylvania und ihre Kollegen haben nun die Entstehung solcher Galaxien in einem Modell nachgebildet. Dabei ließen sie den Prozess der Galaxienbildung einfach unter den damaligen kosmischen Bedingungen ablaufen. Ihr Modell rekonstruierte in einer Art Zoomtechnik sowohl Details der Prozesse innerhalb der Galaxie als auch den kosmologischen Rahmen.

Gasdichte-Verteilung in der 650.000 Lichtjahre großen Modellgalaxie. © Desika Narayanan

Große Anziehung und positive Rückkopplung

Tatsächlich gelang es den Astronomen, in ihrem Modell Submillimeter-Galaxien zu erzeugen. Diese entsprechen besser als alle bisherigen Theorien und Modelle den Eigenschaften ihrer realen Gegenparts. Wie sich zeigt, ist dafür jedoch keine katastrophale Kollision früher Galaxien nötig.

Stattdessen sorgt eine perfekte Kombination mehrerer treibender Faktoren für den ungewöhnlichen Riesenwuchs. Eine davon ist eine hohe Gravitationskraft, die umliegende Galaxien näher zieht und zu Satelliten der Kerngalaxie macht. Diese Halo aus kleineren Sternenansammlungen trägt bis zu 30 Prozent zum Energieausstoß der Submillimeter-Galaxie bei, wie die Forscher berichten.

Hinzu kommt dann eine sich selbst verstärkende Rückkopplung: Die bei früheren Sternenexplosionen und anderen Prozessen produzierten Gase können nicht entweichen, sondern fallen immer wieder in die Galaxie zurück. „Der Rückstrom dieses Gasvorrats wiederum treibt die intensive Sternenbildung an“, so Narayanan und ihre Kollegen.

Natürliche Phase der Galaxienbildung

„Unser Modell spricht dafür, dass diese Galaxien keine vorübergehenden, kurzlebigen Ereignisse sind, sondern natürliche, langlebige Phasen in der Evolution massereicher Materieansammlungen“, konstatieren die Forscher. Die Submillimeter-Galaxien können demnach problemlos über Milliarden von Jahren Sternenbildungsraten von 500 bis 1.00 Sonnen pro Jahr aufrechterhalten. Eine katastrophale Kollision sei dafür nicht nötig, betonen die Astronomen.

Ihr Modell stützt damit die Theorie, nach der diese Riesen des frühen Kosmos einfach ein Extrem der normalen Galaxienbildung sind. Sie entstanden eher durch allmähliche Akkretion als durch ein kurzfristiges Ereignis. Das heißt zwar nicht, dass nicht auch solche Kollisionen damals vorkamen, aber sie sind offenbar keine Voraussetzung. Noch sind zwar längst nicht alle Fragen geklärt, aber Narayanan und ihre Kollegen haben damit einen entscheidenden Einblick in das Werden und Wachsen dieser Giganten des Kosmos gewonnen. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15383)

(Nature, 24.09.2015 – NPO)

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