Sonnensystem

Gibt es doch Leben in den Venuswolken?

Nachweis des Giftgases Phosphin ist mit rein chemischen Prozessen nicht erklärbar

Venuswolken
In den Wolken der Venus gibt es geringe Mengen des giftigen Gases Phosphin – woher es kommt, können Forscher bisher nicht erklären. © JAXA/ISAS/ DARTS, Damia Bouic

Indiz für Leben? Forscher haben in den Wolken der Venus erstmals das Giftgas Phosphin nachgewiesen – ein völlig unerwarteter Fund. Denn es gibt dort keinen chemischen Prozess, durch den dieses Gas entstehen könnte, wie die Wissenschaftler erklären. Andererseits gilt Phosphin als mögliche Biosignatur für außerirdisches Leben. Ob es aber Leben in den Venuswolken geben kann, bleibt vorerst offen.

Die Venus ist heute ein ziemlich höllischer Ort: Temperaturen von mehr als 450 Grad und ein Druck von gut 90 Bar machen Leben auf ihrer Oberfläche unmöglich. Doch Studien legen nahe, dass unser Nachbarplanet bis vor rund 700 Millionen Jahren durchaus lebensfreundlich war und sogar Ozeane besaß. Rein theoretisch ist demnach nicht ausgeschlossen, dass sich auch auf der Venus einst Leben entwickelt hat. Einige Forscher vermuten sogar, dass diese Lebensformen ein Refugium in den Venuswolken gefunden haben könnten.

Phosphin
Phosphin (PH3) in den Wolken der Venus. © ESO/ M. Kornmesser, L. Calçada, NASA/JPL-Caltech

Giftgas als Lebens-Anzeiger

Jetzt könnte eine Entdeckung die Spekulationen über Leben in den Venuswolken weiter anheizen. Denn Jane Greaves von der Cardiff University und ihre Kollegen haben erstmals Monophospan (PH3) in den Venuswolken nachgewiesen. Dieses auch als Phosphin bekannte Gas ist für den Menschen und die meisten Tiere hochgiftig. Es wird unter strengen Auflagen als Schädlingsbekämpfungsmittel und in der chemischen Industrie eingesetzt.

Doch es gibt auch anaerobe Bakterien, die das Phosphin-Gas auf natürlichem Wege produzieren – wenn auch in geringen Mengen. Die Erdatmosphäre enthält daher winzige Spuren dieses Gases – in Konzentrationen von wenigen Molekülen pro einer Billion Luftmoleküle (parts per trillion, ppt). „Das Phosphin ist eng mit anthropogener Aktivität sowie der Präsenz von mikrobiellem Leben verknüpft“, erklären Greaves und ihr Team.

Monophosphan auch auf der Venus

Genau das macht diese Phosphorverbindung auch für Astrobiologen interessant – als möglichen Anzeiger für extraterrestrisches Leben. Denn auf Gesteinsplaneten unterbinden die oxidierenden Bedingungen von Oberfläche und Atmosphäre die chemische Bildung des Phosphins und zersetzen das Molekül sofort. Ist es doch vorhanden, könnte dies ein Indiz für die Präsenz von Organismen sein, wie die Forscher erklären.

Umso überraschender ist nun der Nachweis der spektralen Signatur des Monophosphans auf der Venus. Für ihre Studie hatten Greaves und ihr Team unseren Nachbarplaneten im Jahr 2017 mit dem James-Clerk-Maxwell-Radioteleskop auf Hawaii und 2019 mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile anvisiert. Nach Aufbereitung der Spektraldaten zeigten sich in den Spektren beider Teleskope die Signatur von Phosphin.

Signaturen aus der Wolkenschicht

Das aber bedeutet: In der Wolkendecke der Venus muss es geringe Mengen dieser Phosphorverbindung geben. „Wir können keine andere chemische Verbindung außer Phosphin finden, die die von uns beobachteten Merkmale erklären könnte“, sagen die Forscher. Ihren Messungen zufolge kommt das Gas in rund 53 bis 61 Kilometern Höhe vor und damit in der Wolkenschicht der Venus. Die stärksten Signaturen ermittelten die Forscher am Äquator und in den mittleren Breiten des Planeten.

Die Konzentrationen sind allerdings extrem gering – sie liegen bei nur rund 20 Molekülen pro einer Milliarde Gasteilchen (parts per billion, ppb). Doch schon dies ist überraschend: „Die Präsenz von selbst diesen geringen Anteilen Phosphin ist völlig unerwartet für eine oxidierte Atmosphäre wie die der Venus“, konstatieren Greaves und ihre Kollegen. Eigentlich dürfte Phosphor dort nur in oxidierter Form wie beispielsweise als Phosphat vorkommen.

Herkunft nicht erklärbar

Hinzu kommt, dass Phosphin in der Gashülle der Venus nicht lange haltbar ist: Es wird nach maximal 1.000 Jahren chemisch abgebaut. „Dass Phosphin trotzdem auf der Venus präsent ist, deutet darauf hin, dass es eine Quelle in der Atmosphäre, auf der Oberfläche oder darunter geben muss, die für Phosphornachschub sorgt“, sagen die Forscher. Doch keine der denkbaren chemischen Reaktionen wäre in den Venuswolken möglich oder würde genügend Monophosphan produzieren, wie sie feststellten.

Auch Mikrometeoriten als „Importeure“ der Substanz schließen die Wissenschaftler auf Basis ihrer Berechnungen aus. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Blitze die Entstehung des Monophosphans fördern, doch auch dies passt nicht zu den Daten: „Zwar gibt es Blitze auf der Venus, aber weit weniger als auf der Erde“, so Greaves und ihr Team. „Ihre Produktion von Phosphin läge mehr als zehn Millionen-fach zu niedrig.“

 Leben in den Venuswolken?

Was aber bleibt dann? Bisher ist die Antwort auf diese Frage offen. „Wenn kein bekannter Prozess das Phosphin in der oberen Atmosphäre der Venus erklären kann, dann muss es von einem zuvor auf der Venus nicht als plausibel erachteten Prozess erzeugt werden“, konstatieren die Wissenschaftler. „Das könnte eine unbekannte Photochemie oder Geochemie sein, aber auch Leben.“ Die Forscher betonen jedoch, dass sie die Existenz von Leben in den Venuswolken für eher unwahrscheinlich halten.

„Die Entdeckung wirft viele Fragen auf, beispielsweise wie etwaige Organismen dort überleben könnten“, sagt Koautorin Clara Sousa Silva vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Auf der Erde können einige Mikroben bis zu etwa fünf Prozent Säure in ihrer Umgebung vertragen – aber die Wolken der Venus bestehen fast vollständig aus Säure.“ Ob es Organismen geben kann, die selbst 90 Prozent Säure überstehen, bleibt daher fraglich. Klar ist aber, dass diese Ergebnisse neuen Anstoß dafür geben, die Wolken unseres Nachbarplaneten näher zu erforschen.

„Die Bestätigung der Existenz von Leben in der Venusatmosphäre wäre ein bedeutender Durchbruch für die Astrobiologie“, kommentiert Leonardo Testi von der Europäischen Südsternwarte ESO. „Daher ist es unerlässlich, diese aufregenden Ergebnisse mit theoretischen und beobachtenden Studien weiterzuverfolgen.“ (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-1174-4)

Quelle: Nature Astronomy

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