Mysteriöse Pulse: Ungewöhnlich niedrigfrequente Wellenanteile eines kosmischen Radioblitzes geben Astronomen Rätsel auf. Denn erstmals haben sie bei einem dieser Fast Radiobursts nachgewiesen, dass seine Radiopulse bis 110 Megahertz hinabreichen. Das ist die mit Abstand tiefste bisher von diesen Blitzen eingefangene Strahlung – und widerspricht gängigen Theorien zur Entstehung dieser energiereichen Signale aus dem fernen All.
Fast Radiobursts (FRB) dauern nur wenige Millisekunden, setzen in dieser Zeit aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Deshalb erreichen uns diese Radioblitze, obwohl ihre Quelle meist in fremden Galaxien liegt. Was jedoch diese enorm energiereichen Ausbrüche von Radiostrahlung verursacht, ist bislang erst in Teilen geklärt. So scheinen zumindest einige der Radiobursts von Magnetaren zu stammen, schnell rotierenden Neutronensternen mit starkem Magnetfeld.
„Wiederholungstäter“ im Visier
Weniger klar ist jedoch, wie die seltenen „Wiederholungstäter“ unter den Fast Radiobursts zustande kommen. Ihre Pulse wiederholen sich in teils unregelmäßigem, teils auch verblüffend regelmäßigem Takt. Zu letzteren gehört der erst im Jahr 2018 entdeckte FRB 20180916B. Sein Ursprung liegt in einer rund 490 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie, doch sein Rhythmus aus vier aktiven Tagen gefolgt von zwölf Ruhetagen lässt sich mit einem Magnetar nur schwer erklären.
Jetzt gibt es neue Hinweise. Astronomen um Ziggy Pleunis von der McGill University hatten die Quelle von FRB 20180916B mit den Radioantennen des Low Frequency Array (LOFAR) in den Niederlanden anvisiert. Anders als die bisherigen Beobachtungen lauschten sie dabei speziell auf Strahlungsanteile im Bereich zwischen 110 und 188 Megahertz – einem Bereich, in dem bislang noch von keinem Fast Radioburst Signale aufgefangen wurden.
„Bisher wurden Radiobursts nur in Radiowellenbereichen von 300 Megahertz bis acht Gigahertz detektiert“, erklären die Astronomen. „Unterhalb von 300 Megahertz jedoch wurde trotz gezielter Multifrequenzsuchen und auch blinden Breitbandfahndungen bislang nichts gefunden.“
Strahlung bis hinunter auf 110 Megahertz
Das hat sich nun geändert. Denn das Forschungsteam entdeckte, dass zumindest der regelmäßige Fast Radioburst FRB 20180916B auch Strahlung im niederfrequenten Wellenbereich umfasst. Einige der 18 beobachteten Pulse dieser Quelle reichten bis zu 110 Megahertz hinunter – der Untergrenze des noch vom Teleskop erfassbaren. „Das ist der erste Nachweis von FRB-Strahlung unterhalb von 300 Megahertz“, berichten die Astronomen.
Interessant auch: Die Pulse in diesem langwelligeren Radiobereich sind zwar ähnlich linear polarisiert wie die kurzwelligeren Radioanteile, ihre Dauer ist aber mit 40 bis 160 Millisekunden deutlich länger als im oberen Frequenzbereich. „Die typische Pulsbreite bei 1,7 Gigahertz sind nur zwei bis drei Millisekunden“, so Pleunis und sein Team. Zudem kommen die längeren Wellenanteile mit deutlicher Verzögerung auf der Erde an, wie parallele Beobachtungen in anderen Frequenzbereichen ergaben.
Passt nicht zu gängigem Erklärungsmodell
Aus diesen Merkmalen schließen die Astronomen, dass zumindest die sich wiederholenden Radioblitze von FRB 20180916B auf andere Ursachen zurückgehen könnten als beispielsweise der erste in unserer eigenen Galaxie detektierte einzelne Radioburst. „Die Daten sagen uns, dass die Region rund um die Strahlenquelle für niedrigfrequente Strahlung transparent sein muss“, sagt Pleunis. Das aber wäre bei den bisher favorisierten Erklärungsmodellen nicht der Fall.
Nach Ansicht der Astronomen passen die jetzt ermittelten Merkmale von FRB 20180916B daher nicht zu einer Entstehung an einem Magnetar. Stattdessen halten sie es für möglich, dass seine regelmäßigen Radiopulse von einem massereichen Röntgen-Doppelstern kommen. Diese Paare bestehen aus einem Neutronenstern und einem normalen Stern, dessen Sternenwind immer wieder Ausbrüche beim Neutronenstern verursacht.
Neutronenstern-Interaktionen als Urheber?
„Die Fast Radiobursts könnten von einem hochgradig magnetisierten Neutronenstern verursacht werden, dessen Magnetosphäre immer wieder durch den ionisierten Wind eines massereichen Begleitsterns ‚gekämmt‘ wird“, erklären Pleunis und sein Team. Eine solche Interaktion würde auch die Pausen in der FRB-Aktivität erklären. Denn die Emissionen solcher Rekonnexions-Ereignisse könnten nur dann die Erde erreichen, wenn beide Partner und ihr Magnetfeld entsprechend ausgerichtet sind.
Auch wenn alle Merkmale von FRB2 0180916B zu einem solchen Szenario passen würden, ist dies bislang nur eine Theorie. Die Forschenden wollen nun mithilfe der LOFAR-Anlage und anderer Teleskop gezielt weiter nach den niedrigfrequenten Anteilen von Radiopulsen suchen – und dabei auch die bisherige untere Grenze von 110 Megahertz unterschreiten. (Astrophysical Journal Letters, 2021; doi: 10.3847/2041-8213/abec72)
Quelle: McGill University