Warum gibt es auf dem Merkur Polarlichter, obwohl er keine echte Atmosphäre besitzt? Diese Fragen haben nun Daten der Merkursonde BepiColombo geklärt. Bei ihrem ersten Vorbeiflug am Merkur detektierte sie Hinweise auf beschleunigte Elektronen, die entlang der Magnetfeldlinien auf die Merkuroberfläche rasen. Dieser Regen aus Elektronen bringt Moleküle an der Planetenoberfläche zum Fluoreszieren. Der Prozess, der bei uns in der Ionosphäre stattfindet, spielt sich auf dem Merkur demnach direkt am Boden ab.
Die Erde hat sie, der Mars, der Jupiter und sogar die vier großen Jupitermonde: Polarlichter sind im Sonnensystem keine Ausnahmeerscheinung. Sie treten dann auf, wenn die energiereichen Teilchen des Sonnenwinds auf Moleküle in den Atmosphären eines Himmelskörpers treffen und diese anregen. Meist werden dabei die eindringenden Elektronen entlang der Magnetfeldlinien noch weiter beschleunigt und konzentriert.
Keine Atmosphäre und trotzdem Polarlichter
Doch bei Merkur ist dies anders. Der innerste Planet des Sonnensystems besitzt keine echte Atmosphäre, in seiner extrem dünnen Exosphäre gibt es weniger Gasmoleküle als in einem gängigen Laborvakuum. Für ein Polarlicht reicht dies nicht einmal ansatzweise aus. Trotzdem detektierten schon die Mariner-Raumsonden der NASA in den 19070er Jahren, dass am Nord- und Südpol des Merkurs häufig energiereiche Röntgen-Polarlichter auftreten. Auch die Raumsonde Messenger wies diese Polarlichter nach.
Wie aber kommen diese Auroren ohne Atmosphäre zustande? „Wie genau die Polarlichter des Merkurs entstehen, war bisher nicht geklärt“, erklärt Koautor Markus Fränz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Denn weder Mariner noch Messenger konnten die beteiligten Prozesse direkt beobachten. Das hat sich nun dank der neuen europäischen Merkursonde BepiColombo geändert.
Vor Ort mit BepiColombo
Bei ihrem ersten nahen Merkur-Vorbeiflug im Oktober 2021 raste die Sonde in nur 200 Kilometer Höhe über die nördliche Nachtseite und südliche Tagseite des Planeten hinweg. Dabei waren sowohl die Ionenspektrometer als auch die Magnetometer der Sonde aktiv. Ihre Messdaten haben dadurch erstmals Einblick in die die Struktur der planetennahen Magnetosphäre und den Teilchenströmen darin gegeben.
Die Sondendaten bestätigten, dass das schwache Magnetfeld des Merkurs durch den Sonnenwind stark verformt wird: Es ist auf der Sonnenseite deutlich komprimiert und auf der abgewandten Seite zu einem langen Schwanz ausgezogen – ähnlich wie bei der Erde, nur noch ausgeprägter. Wenn die Teilchen des Sonnenwinds auf das Merkur-Magnetfeld treffen, werden sie von der Vorderseite abgelenkt und in den Magnetschweif geleitet. Dort werden sie entlang der Magnetfeldlinien beschleunigt und erneut umgelenkt.
Elektronenregen lässt Oberfläche fluoreszieren
Die Folge: Auf der Nachtseite des Merkurs rasen energiereiche schnelle Elektronen entlang der Magnetfeldlinien auf den Planeten zu und prallen in Polnähe auf seine Oberfläche. „Zum ersten Mal konnten wir beobachten, wie Elektronen in der Magnetosphäre des Merkurs beschleunigt und auf die Planetenoberfläche geschleudert werden“, berichtet Erstautorin Sae Aizawa vom Institut für Astrophysik und Planetenforschung in Toulouse.
Dieser Regen aus schnellen Elektronen regt Moleküle im Material der Merkuroberfläche an und ionisiert sie. Die angeregten Moleküle geben ihre überschüssige Energie anschließend in Form von energiereichem Röntgenlicht wieder ab – sie fluoreszieren. Diese Fluoreszenz wird als Röntgen-Polarlicht sichtbar. Damit ist der Auslöser des Merkur-Polarlichts ähnlich wie bei der Erde, nur dass bei uns diese Fluoreszenz in der Ionosphäre stattfindet.
Grundprinzip überall im Sonnensystem ähnlich
„Obwohl die Magnetosphäre des Merkurs viel kleiner ist als die der Erde und eine andere Struktur und Dynamik aufweist, haben wir die Bestätigung, dass der Mechanismus, der Polarlichter erzeugt, im gesamten Sonnensystem der gleiche ist“, sagt Aizawa. Das Eindringen von energiereichen Elektronen aus dem Sonnenwind in ein Magnetfeld erzeugt demnach die verschiedenen Arten von Polarlichtern. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-39565-4)
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung