Unerklärliche Schatten: Astronomen haben einen Stern entdeckt, dessen Licht gleich 28 Mal in kurzer Folge verdunkelt wurde. Das Seltsame jedoch: Diese Transits sind zwar alle gleich stark, aber so unregelmäßig, als hätte sie ein Zufallsgenerator erzeugt. Dass sie durch Planeten oder Asteroiden im Orbit dieses Sterns verursacht werden, sei daher unwahrscheinlich, so die Forscher. Auch Staubwolken oder zerfallende Planeten passen nicht ins Bild. Was aber ist dann die Ursache?
Wenn ein Stern einen oder mehrere Planeten besitzt, verraten sich diese oft durch Schatten in der Lichtkurve des Sterns: In periodischen Abständen dimmen sie das Sternenlicht ab, weil sie vor ihrem Mutterstern vorüberziehen. Diese Transits ähneln scharf abgegrenzten, regelmäßig auftretenden Trögen in der Lichtkurve. Doch es gibt auch Exoten mit unregelmäßigen oder seitlich „ausgeschmierten“ Abdimmungen, darunter der „Alien-Stern“ KIC 8462852 oder der junge Stern RW Aur A. Bei solchen Sternen können Astronomen nur spekulieren, was die ungewöhnlichen Transits verursacht.
28 Transits in nur 87 Tagen
Über einen weiteren Rätsel-Stern berichten nun Astronomen um Saul Rappaport vom Kavli Institute für Astrophysics am MIT. Der rund 350 Lichtjahre entfernte Stern EPIC 249706694, auch HD 139139 genannt, ist auf den ersten Blick ein gewöhnlicher, sonnenähnlicher Stern mit einem etwas kleineren Begleitstern in rund 400 astronomischen Einheiten Abstand. https://www.scinexx.de/news/kosmos/kepler-geht-der-sprit-aus/
Doch in den Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops Kepler entdeckten Citizen Scientists etwas sehr Ungewöhnliches: In nur 87 Tagen zeigte dieser Stern gleich 28 Transits. Jede dieser Abschattungen dauerte zwischen einer und sieben Stunden. Die kurze Dauer und die geringen Abstände deuten auf ein oder mehrere verdunkelnde Objekte sehr nahe am Stern hin, wie die Forscher berichten. 27 dieser Transits hatten zudem fast die gleiche Form und Stärke – sie entsprachen einem Objekt von etwa 1,5-facher Erdgröße.
„Wie von einem Zufallszahlen-Generator erzeugt“
Was aber ist die Ursache für diese Verdunkelungen? Um das herauszufinden, analysierten Rappaport und sein Team zunächst die Periodizität der Transits: Gab es regelmäßige zeitliche Muster bei den 28 Abschattungs-Ereignissen? Das überraschende Ergebnis: „Sie zeigen keinerlei Periodizität“, berichten die Forscher. „Ihre Zeiten könnten genauso gut mit einem Zufallszahlen-Generator erzeugt worden sein.“
Das aber bedeutet: Auch wenn die Form der Transits auf den ersten Blick nach einem ganzen Schwung von Planeten aussieht, macht die fehlende Periodizität dies sehr unwahrscheinlich, wie Rappaport und sein Team erklären. Zudem müssten alle diese Planeten sehr nah an ihrem Stern kreisen und nahezu gleich groß sein – auch das wäre unwahrscheinlich. Ähnliches gilt nach Ansicht der Forscher für die Annahme, dass ein Teil der Transits von einem oder mehreren Planeten des Begleitsterns verursacht wird. Auch dann müsste zumindest ein Teil der Verdunkelungen periodisch erfolgen – was aber nicht der Fall ist.
Planetentrümmer als Ursache?
Doch was könnte dann der Auslöser für diese Abschattungen von HD 139139 sein? Eine weitere Erklärung wären von Staubwolken umgebene Planetentrümmer oder große Asteroiden im Orbit um den Stern. „Auf den ersten Blick ist dies ein attraktives Szenario“, so die Astronomen. Denn solche Planetentrümmer wurden schon häufiger beobachtet, beispielsweise in Staubscheiben um Weiße Zwerge.
Allerdings: „Die Tatsache, dass alle transitartigen Ereignisse die gleiche Tiefe haben, ist ein Problem bei diesem Szenario“, so Rappaport und sein Team. Denn es sei eher zweifelhaft, dass so viele Asteroiden die gleiche Staubmenge erzeugen oder gleich groß sein sollten. Zudem zeigen selbst Sterne mit Staubklumpen im Orbit trotzdem oft periodische Abschattungen – denn auch die Klumpen umkreisen sie auf regelmäßiger Bahn.
…Oder kurzlebige Sternenflecken?
„Alle Transit-Szenarien, die wir uns vorstellen konnten, scheinen zu versagen“, konstatieren Rappaport und sein Team. Doch was bleibt dann noch? Eine Hypothese, die zumindest nicht sofort unmöglich erscheint, wären Helligkeitsschwankungen, die vom Stern selbst ausgehen. „Eine Idee wäre, dass der Stern kurzlebige Sonnenflecken besitzt, die größer als die Erde sind“, so die Astronomen. Diese dunklen Flecken müssten sehr abrupt auftauchen, ein paar Stunden bleiben und dann genauso plötzlich wieder verschwinden.
„Ein solches Szenario würde zumindest gegen kein physikalisches Gesetz verstoßen“, sagen die Forscher. Ob allerdings wirklich Sonnenflecken für die sehr deutlichen und scharf abgegrenzten Abschattungen verantwortlich sind, lässt sich bislang nicht überprüfen. Und auch dieses Szenario ist nicht unbedingt gängig oder wahrscheinlich, wie die Astronomen einräumen.
„Keine Erklärung ist befriedigend“
„Wir stellen fest, dass keine der möglichen Erklärungen wirklich befriedigend ist“, konstatieren Rappaport und seine Kollegen. Doch auch ein Messfehler oder eine Instrumentenstörung ist ihren Analysen nach extrem unwahrscheinlich. „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass eine Detektor-Anomalie diese Transitsignale erzeugt“, so die Forscher. Ihrer Ansicht nach müssen diese Abschattungen daher auf eine astrophysikalische Ursache zurückgehen.
Nur welche? Wie schon beim „Alien-Stern“ KIC 8462852 könnte auch bei HD 139139 darüber spekuliert werden, ob nicht vielleicht Außerirdische und ihre orbitalen Bauten für diese mysteriösen Abschattungen verantwortlich sind. Das allerdings halten die Astronomen für so unwahrscheinlich, dass sie es in ihrem Fachartikel nicht einmal erwähnen.
Die Forscher hoffen nun, dass anderen Astronomen vielleicht noch eine mögliche Erklärung einfällt – oder dass künftige Beobachtungen Näheres über das rätselhafte Verhalten des Sterns HD 139139 zutage fördern. Damit bleibt der Stern mit dem Spitznamen „Random Transiter“ vorerst ein Mysterium. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2019; doi: 10.1093/mnras/stz1772)
Quelle: MNRAS, ArXiv