So nah sah sie noch keiner: Die ESA-Raumsonde Solar Orbiter hat die bislang nächsten Aufnahmen der Sonnenoberfläche geschossen – und Überraschendes enthüllt. Denn die hochaufgelösten UV-Bilder zeigen, dass unser Stern von unzähligen Miniatur-Strahlenausbrüchen übersät ist. Diese von den Forschern „Lagerfeuer“ getauften Flares sind Millionen Mal kleiner als die von der Erde aus sichtbaren Ausbrüche. Doch zusammen könnten sie die lange gesuchte Heizung der solaren Korona sein.
Die Sonne birgt noch einige Geheimnisse. So ist unklar, warum die Sonnenkorona so viel heißer ist als ihre Oberfläche und woher sie diese Hitze nimmt. Auch der Ursprung des Sonnenwinds und der solaren Aktivität sind bislang erst in Teilen erforscht. Zurzeit sind deshalb gleich zwei Raumsonden in Sonnennähe unterwegs. Die 2018 gestartete NASA-Sonde Parker Solar Probe soll vor allem die Korona und den Sonnenwind erforschen und hat bereits für erste Überraschungen gesorgt. Eine Kamera, die direkt auf die Sonne gerichtet ist, hat diese Sonde aber nicht – die Umgebung ist schlicht zu gefährlich.
Anders verhält es sich bei der zweiten Sonnensonde, dem Solar Orbiter der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Sie ist seit Februar 2020 unterwegs und soll erstmals einen Blick auf die solaren Pole erlauben. Dafür folgt sie im Laufe der nächsten Jahre einer stark elliptischen, immer stärker zum Sonnenpol hingeneigten Bahn. Inzwischen hat der Solar Orbiter die Umlaufbahn der Venus passiert und befindet sich etwa auf halbem Wege zwischen Erde und Sonne.
Mini-Flares überall auf der Oberfläche
Aus dieser Position – „nur“ noch rund 77 Millionen von der Sonne entfernt – hat die ESA-Raumsonde jetzt spektakuläre Aufnahmen geliefert. Die von der UV-Kamera ihres Extreme Ultraviolet Imager erstellten Bilder zeigen die Sonne und die verschiedenen Schichten ihrer Korona so nah und detailliert wie nie zuvor. „Wir sind der Sonne mit einer Kamera noch nie so nahe gekommen“, sagt Projektforscher David Miller von der ESA.
Die Aufnahmen enthüllen, dass die Sonne überall von kleinen Strahlenausbrüchen übersät ist. Diese Flares haben einen Durchmesser von rund 700 Kilometern . „Die größeren dieser Mini-Ausbrüche kennen wir bereits aus den Aufnahmen anderer Raumsonden. Die vielen, vielen kleineren sehen wir jetzt zum ersten Mal“, sagt Udo Schühle vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Die Korona ist offenbar voll von solchen Mini-Ausbrüchen.“
Diese Miniatur-Flares sind Millionen Mal kleiner als die von der Erde sichtbaren Strahlenausbrüche. Die Forscher vergleichen sie mit Lagerfeuern und gaben diesem Phänomen daher den Spitznamen „Campfires“. Ob sie auf den gleichen Mechanismen beruhen wie ihre großen „Geschwister“ oder andere Ursachen haben, ist aber noch unklar.
Heizung für die Sonnenkorona?
Spannend ist aber, was diese kleinen „Lagerfeuer“ bewirken könnten: „Diese Flares sind für sich genommen völlig unbedeutend“, sagt Frederic Auchere vom französischen Institut für Astrophysik und Weltraumforschung. „Aber wenn man ihren Effekt über die ganze Sonnenoberfläche hinweg zusammennimmt, könnten sie sogar entscheidend für die Heizung der Sonnenkorona sein.“
Die äußere Atmosphäre der Sonne hat eine Temperatur von mehr als eine Million Grad Celsius und ist damit um ein Vielfaches heißer als die „nur“ gut 5000 Grad heiße Sonnenoberfläche. Woher die Energie für diese enorm heiße Korona kommt, ist aber bislang strittig. Einer Hypothese nach sorgen unzählige Nanoflares innerhalb der Magnetfeld-Schleifen für die nötige Energie. Die Entdeckung der vielen kleinen „Lagerfeuer“ könnte die Annahme nun bestätigen.
Erste Daten auch von den anderen Instrumenten
Das Missionsteam hofft, dass die Daten der anderen wissenschaftlichen Instrumente mehr Aufschluss über Ursprung und Wirkung der neuentdeckten Lagerfeuer“ geben werden. „Wir hatten nicht mit so großartigen Ergebnissen gleich zu Beginn gerechnet“, sagt Daniel Müller vom Solar-Orbiter-Projektteam. „Wir freuen uns alle sehr über diese ersten Aufnahmen – aber sie sind erst der Anfang.“
Neben dem Extreme Ultraviolet Imager haben auch die anderen wissenschaftlichen Instrumente der Raumsonde bereits erste Daten gesammelt. So hat der Polarimetric und Helioseismic Imager (PHI) erste Aufnahmen der Magnetstrukturen auf der Sonnenoberfläche geliefert und auch erste Gesamtansichten der Korona hat die Sonde geschickt. „Wir können auch sehen, wie sich unsere zehn wissenschaftlichen Instrumente ergänzen und ein ganzheitliches Bild von der Sonne und ihrer Umgebung liefern.“
Quelle: ESA