Astronomie

Rekord-Ausbruch überrascht Astronomen

Stärkste Gammastrahlen-Explosion aller Zeiten hatte verblüffend "normalen" Urheber

NAchglühen von GRB 221009A
Am 9. Oktober 2022 traf der stärkste je detektierte Gammastrahlenausbruch die Erde. Selbst das Nachglühen von GRB 221009A war extrem hell, wie hier vom NASA-Teleskop Swift aufgefangen. © NASA/Swift; A. Beardmore/ University of Leicester

Unerwarteter Fund: Astronomen haben entdeckt, wodurch der hellste jemals beobachtete Gammastrahlenausbruch entstand – und dabei Überraschendes festgestellt. Denn Analysen des Nachglühens von GRB 221009A mit dem James-Webb-Weltraumteleskop enthüllen, dass eine ganz normale Supernova der Urheber zu sein scheint. Das wirft einige Fragen auf, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet. Denn warum war diese Sternexplosion so außergewöhnlich hell?

Am 9. Oktober 2022 traf der stärkste je detektierte Gammastrahlenausbruch die Erde. GRB 221009A transportierte die enorme Energie von 18 Teraelektronenvolt und war rund 70-mal stärker als alles zuvor gemessene. Die Strahlung war so intensiv, dass sie Gammastrahlenddetektoren weltweit blendete und sogar die irdische Ionosphäre messbar veränderte – obwohl der Ort der Explosion rund zwei Milliarden Lichtjahre entfernt lag. Das Ereignis trägt seither den Spitznamen B.O.A.T. –“Brightest of all Times“.

„Dies war ein Ereignis, wie es auf der Erde nur alle zehntausend Jahre einmal auftritt“, erklärt Erstautor Peter Blanchard von der Northwestern University in Illinois.

Gammastrahlenintensität
Vergleich der Gammastrahlung von GRB 221009A mit fünf früheren Rekordhaltern unter den Gammastrahlenausbrüchen. © NASA/ Goddard Space Flight Center, Adam Goldstein (USRA)

Rätsel um Ursache der Mega-Explosion

Doch was war die Ursache dieser Mega-Explosion? Mit einer Dauer von 13 Minuten gehörte GRB 221009A eindeutig zu den langen Gammastrahlenausbrüchen – Ereignissen, die gängiger Annahme nach von der Supernova massereicher Sterne verursacht werden. Doch es fehlten sowohl während der Gammastrahlenphase als auch im Nachglühen einige normalerweise typische Supernova-Merkmale. Bisher blieb daher rätselhaft, wer der Urheber dieses Gammastrahlenausbruchs war.

„Der Ausbruch war so hell, dass er jede potenzielle Supernova-Signatur noch Wochen und Monate danach überstrahlte“, erklärt Blanchard. „Das Nachglühen war zeitweise vergleichbar mit den hellen Scheinwerfern eines direkt auf mich zukommenden Autos: Sie sind so hell, dass ich das Auto dahinter nicht erkennen kann.“ Die Astronomen mussten daher gut ein halbes Jahr warten, bis das Nachglühen der Explosion so weit verblasst war, dass sie es näher analysieren konnten. Dafür setzten sie das hochauflösende Nahinfrarot-Spektrometer NIRSpec des James-Webb-Teleskops ein.

Signatur einer Supernova

Die Analysen enthüllten: Der Rekordausbruch GRB 221009A wurde tatsächlich von einer Supernova verursacht. Im Spektrum des Nachglühens konnte das Team um Blanchard mehrere charakteristische Elementsignaturen nachweisen, darunter von Calcium und Sauerstoff. Das Überraschende jedoch: „Man würde erwarten, dass ein so energiereicher Gammastrahlenausbruch auch von einer besonders starken und hellen Supernova erzeugt wird. Aber wie sich zeigt, ist dies nicht der Fall“, sagt Blanchard.

Zum Erstaunen der Astronomen war die Sternexplosion von GRB 221009A nicht sonderlich stark. „Sie hebt sich kaum von anderen Supernovae ab, die weit weniger energiereiche Gammastrahlenausbrüche erzeugen“, berichtet der Astronom. „Wir haben damit einen extrem hellen Gammastrahlenausbruch, aber eine normale Supernova.“

Nachglühen des Gammastrahlenausbruchs, aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop. © NASA/ESA/ CSA, STScI, A. Levan (Radboud University)

Warum war die Strahlung so extrem?

Doch woher kommen dann die extremen Gammastrahlen? Die Astronomen vermuten, dass dies mit der speziellen Form der Explosion zu tun haben könnte: Wenn schnell rotierende, massereiche Sterne kollabieren, produzieren sie gebündelte Teilchen-Jets, die mit fast Lichtgeschwindigkeit ins All hinausrasen. Sind diese Jets besonders schmal und konzentriert, erzeugen sie einen besonders hellen, energiereichen Strahlenkegel.

„Das ist so ähnlich, als wenn man den Strahl einer Taschenlampe zu einem engen, konzentrierten Strahl fokussiert“, erklärt Koautor Tanmoy Laskar von der University of Utah. Auf ähnliche Weise könnte auch die Energie des Supernova-Jets bei GRB 221009A besonders konzentriert gewesen sein. „Tatsächlich war dies einer der schmalsten Jets, die wir je bei einem Gammastrahlenausbruch gesehen haben – das gibt uns einen Hinweis darauf, warum das Nachglühen dieser Explosion so hell war.“

Allerdings räumen die Astronomen ein, dass auch andere Faktoren mit im Spiel sein könnten. Weshalb ausgerechnet diese scheinbar so normale Supernova so intensive Strahlung verursachte, ist daher noch nicht endgültig geklärt. „An dieser Frage werden wir noch Jahre forschen müssen“, so Lasker.

Fahndung nach schweren Elementen

Das Nachglühen von GRB 221009A gab den Astronomen auch die Chance, einem weiteren kosmischen Rätsel nachzugehen – dem Ursprung schwerer Elemente. Denn die Atome von Gold, Silber oder Seltenerdmetallen können nur durch den sogenannten schnellen Neutroneneinfang entstehen. Bisher ist jedoch ungeklärt, ob dieser sogenannte r-Prozess nur im Gefolge von Neutronensternkollisionen stattfindet oder auch bei den Supernovae schnell rotierender Riesensterne.

Das Nachglühen des Rekord-Gammastrahlenausbruchs erlaubte es den Astronomen erstmals, auch die Elementsignaturen im Innenbereich einer solchen Explosion zu untersuchten. Doch fündig wurden sie nicht: „Wir haben keine Signaturen solcher schweren Elemente bei diesem Ereignis gefunden“, sagt Blanchard. „Das legt nahe, dass extrem energiereiche Gammastrahlenausbrüche wie B.O.A.T. diese Elemente möglicherweise nicht erzeugen.“

Damit bleibt weiter rätselhaft, woher die schweren Elemente stammen. Denn Neutronensternkollisionen treten zu selten auf, um die alleinigen Urheber von Gold und Co im Kosmos zu sein. „Wir werden nun weiter suchen müssen, wo die schwersten Elemente gebildet worden sind“, sagt Blanchard. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02237-4)

Quelle: Northwestern University

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