Rekordblick ins All: Das Hubble-Weltraumteleskop hat die bisher größte Nahinfrarot-Aufnahme des Himmels veröffentlicht. Das Bild zeigt Galaxien und Sternenwiegen in einem Himmelsausschnitt, der fast sechsmal so groß ist wie der Vollmond, und ermöglicht es so, auch seltene Varianten und Entwicklungsschritte von Galaxien aufzuspüren. Die Großaufnahme kann zudem helfen, Ziele für das neue James-Webb-Weltraumteleskop auszuwählen, das weniger breit, aber dafür tiefer schauen kann.
Ob Sternenwiegen, Exoplaneten, Galaxien oder das Portrait des bisher frühesten Sterns: Schon seit mehr als 30 Jahren liefert das Hubble-Weltraumteleskop neue Einblicke in den Kosmos und hat der Astronomie zahllose neue Erkenntnisse beschert. Während das neue James-Webb-Weltraumteleskop primär im infraroten Bereich arbeitet, ist Hubble eher ein Allrounder: Seine Bandbreite reicht vom ultravioletten über den sichtbaren bis in den nahinfraroten Wellenbereich des Lichts.
Ein Himmelsausschnitt so groß wie sechs Vollmonde
Im Nahinfrarot hat das Hubble-Teleskop nun einen neuen Meilenstein gesetzt. Danke einer neuen Aufnahmetechnik gelang es Astronomen um Lamiya Mowla von der University of Toronto, das größte jemals von Hubble erstellte Nahinfrarotbild aufzunehmen. Der 3D-DASH Survey bietet erstmals eine vollständige, hochauflösende Nahinfrarot-Durchmusterung des gesamten COSMOS-Feldes, eines der reichhaltigsten Datensätze für extragalaktische Studien außerhalb der Milchstraße.
3D-DASH deckt eine Gesamtfläche von 1,35 Quadratgrad am Himmel ab, das entspricht fast der sechsfachen Größe des Vollmonds am Himmel. Bislang war ein so großes Nahinfrarot-Bild nur von erdbasierten Teleskopen verfügbar, die aber eine schlechtere Auflösung liefern und so die Beobachtungsmöglichkeiten einschränkten. Der aktuelle Rekord wird nach Angaben der Astronomen wahrscheinlich auch vom James-Webb-Teleskop nicht gebrochen werden, weil dieses eher kleinere Ausschnitte mit größerer Tiefe betrachtet.
Neue Technik ermöglichte Rekordaufnahme
Um einen so ausgedehnten Himmelsbereich abzubilden, setzte das Forschungsteam eine neue Technik ein, die als Drift And SHift (DASH) bezeichnet wird. Bei dieser kann das Hubble-Teleskop während eines Orbits acht Ausschnitte statt nur einem am Himmel anvisieren und aufnehmen. Dadurch kann es in nur 250 Stunden einen Bereich hochauflösend durchmustern, für den das Teleskop zuvor 2.000 Stunden benötigt hätte.
Die Einzelaufnahmen wurden dann zu einem Gesamtmosaik zusammengefügt. „3D-DASH fügt dem COSMOS-Feld eine neue Ebene einzigartiger Beobachtungen hinzu und ist auch ein Sprungbrett für die Weltraumdurchmusterungen des nächsten Jahrzehnts“, sagt Koautorin Ivelina Momcheva vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. „Sie gibt uns einen Vorgeschmack auf zukünftige wissenschaftliche Entdeckungen und ermöglicht uns die Entwicklung neuer Techniken zur Analyse dieser großen Datensätze.“
Seltene Objekte und Prozesse enthüllt
Spannend für die Astronomie ist die neue Nahinfrarotaufnahme vor allem deshalb, weil sie eine große Zahl Galaxien, Sternenwiegen und andere ferne Objekte auf einmal zeigt und so auch seltene Phänomene und Prozesse einfängt. Dazu gehören besonders massereiche Riesengalaxien, Galaxien kurz vor der Verschmelzung oder auch Sternenwiegen und hochaktive Schwarze Löcher.
„Ich bin neugierig auf Riesengalaxien, die massereichsten Galaxien im Universum, die durch die Verschmelzung anderer Galaxien entstanden sind. Wie haben sich ihre Strukturen entwickelt und was hat ihre Form verändert?“, sagt Mowla. „Es war schwierig, diese extrem seltenen Ereignisse mit vorhandenen Aufnahmen zu untersuchen, und das war der Grund für die Konzeption dieser großen Durchmusterung.“
Zielfinder für das James-Webb-Teleskop
3D-DASH kann den Astronomen zudem dabei helfen, seltene Objekte als Ziele für Folgebeobachtungen mit dem neuen James-Webb- Weltraumteleskop zu identifizieren. Es ist das größte Nahinfrarotbild des Himmels, bis die nächste Generation von Teleskopen wie das Nancy Grace Roman Space Telescope und Euclid im nächsten Jahrzehnt in Betrieb gehen.
Bis dahin können professionelle Astronomen und Hobby-Sterngucker den Himmel mit einer interaktiven Online-Version des 3D-DASH-Bildes erkunden. (The Astrophysical Journal, in press; arXiv:2206.01156)
Quelle: Max-Plank-Institut für Astronomie