Komplexe Strukturen: Der Planck-Satellit der ESA hat die bisher genauesten Karten der Mikrowellen- und Synchrotronstrahlung erstellt, die in unserer eigenen Galaxie entsteht. Dabei stießen die Forscher unter anderem auf einen riesigen Ring, der ein Drittel des Himmels einnimmt und nur durch seine abweichende Polarisation sichtbar wird. Wodurch er entsteht, ist bisher rätselhaft.
Wenn der Planck-Satellit der ESA ins All späht, dann geht es normalerweise um die kosmische Hintergrundstrahlung – das Licht, das rund 380.000 Jahre nach dem Urknall freiwurde. Denn es verrät vieles über diese Frühzeit des Universums – beispielsweise ob es eine kosmische Inflation gab oder nicht. Das Problem dabei: Um die Feinheiten dieser Strahlung auswerten zu können, müssen alle Störsignale aus dem Vordergrund herausgefiltert werden, darunter auch die von der Milchstraße freigesetzte Strahlung.
Sie wird gebildet, wenn Elektronen vom Magnetfeld der Galaxie auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden – wie in einem Synchrotron, durch Kollisionen im interstellaren Plasma oder auch durch die Bewegungen und Vibrationen interstellarer Staubkörnchen. Die Forscher der Planck-Kollaboration haben nun die komplexe Struktur dieser galaktischen Vordergrundstrahlung in Wellenlängen von 20 bis 100 Gigahertz mit Hilfe des Planck-Satelliten untersucht – und dabei einige auffallende Strukturen entdeckt.
Riesenring mit Bogenspornen
Analysiert man die Polarisation der Synchrotronstrahlung, tritt ein gewaltiger Ring zutage, der ein Drittel des gesamten Himmels einnimmt. „In beiden galaktischen Sphären zeigen die Polarisationskarten eine Reihe von Spitzen, die innerhalb dieses äußeren Rings parallel zu seinem Rand herausschießen“, berichten die Forscher. „Nahezu alle diese hellen Gebiete sind am linken Rand der Struktur konzentriert.“ Warum das so ist, ist bisher unklar.
Die Astronomen vermuten, dass diese unvollständige Ringstruktur eine gemeinsame Ursache hat – welche ist jedoch noch völlig unklar. Eine Möglichkeit wäre, dass die Bögen des Rings den geheimnisvollen Fermi-Blasen folgen – zwei riesigen Gebilden, die senkrecht über und unter dem Milchstraßenzentrum stehen. „Im Bereich von 10 bis 500 Gigaelektronenvolt tritt die Emission der Fermi-Blasen klar zutage“, berichten die Forscher.
Ist es der Rand der Fermi-Blasen?
Allerdings: Aus den neuen Messungen geht hervor, dass die Fermi-Blasen im Zentrum der Milchstraße entspringen – wie zuvor schon angenommen. Die Bögen des seltsamen Ringes aber liegen 35 Grad gegenüber dem Zentrum verschoben und scheinen auf der linken Seite durch die Milchstraßeneben hindurchzulaufen, ohne dass es Anzeichen für eine gegenseitige Beeinflussung gibt, wie die Forscher berichten.
Auch mit der oberen Fermi-Blase, die teilweise über den Ring hinausreicht, scheint es keine Interaktion zu geben. „Das ist genau das, was man erwarten würde, wenn diese Struktur uns näher ist“, so die Wissenschaftler. Sie gehen daher davon aus, dass der Ring und seine Bögen noch weiter im Vordergrund liegen als die Fermi-Blasen. Wie weit sie von uns entfernt sind und was die Quelle dieses Strahlenrings ist, bleibt aber unklar.
„Noch ein langer Weg“
Generell ist die Vordergrundstrahlung aus drei Komponenten zusammengesetzt, die allerdings graduell ineinander übergehen, wie die Forscher feststellten. Neben der Synchrotronstrahlung und der anomalen Mikrowellenstrahlung, die vorwiegend durch die Staubbewegungen erzeugt wird, existiert auch die sogenannte free-free-Strahlung. Den Forschern gelang es mit Hilfe der neuen Daten, diese Komponenten zu trennen und für alle drei erstmals detaillierten Karten zu erstellen.
In nahezu allen Karten treten sowohl bereits bekannte als auch neue Bereiche mit auffallenden Abweichungen zutage. So entdeckten die Forscher einen rund 200 Lichtjahre großen Staubring um den Lamdba Orion-Nebel – den „Kopf“ des Sternbilds Orion, der zuvor noch nicht bekannt war. Zudem zeigten sich signifikante Abweichungen und Variationen in den Emissionen des galaktischen Staubs. „Obwohl wir die diffusen Emissionen in den von Planck und WMAP erfassten Frequenzen zu verstehen beginnen, haben wir noch einen langen Weg vor uns“, so die Wissenschaftler. (Astronomy & Astrophysics, in press; arXiv:1506.06660)
(Royal Astronomical Society (RAS), 07.07.2015 – NPO)