Astronomen haben einen wahren Giganten des jungen Universums identifiziert: Einen Galaxienhaufen, der tausendfach massereicher ist als die Milchstraße und der tausende von einzelnen Galaxien umfasst. Mit 280 Billionen Sonnenmassen ist dieser zehn Milliarden Lichtjahre entfernte Cluster die größte bisher bekannte Struktur im frühen Universum. Sie existierte zu einer Zeit, als es nach gängiger Theorie solche Giganten eigentlich noch nicht hätte geben dürfen.
Galaxienhaufen gehören zu den größten Strukturen im Kosmos. Sie sind so massereich, dass es wahrscheinlich nach dem Urknall mehrere Milliarden Jahre dauerte, bis ausreichend Sterne und Galaxien entstanden waren, um diese Giganten zu bilden. Zwar haben Astronomen vor ein paar Jahren einen bereits 13,1 Milliarden Jahre alten Galaxienhaufen entdeckt, er ist jedoch erst im Wachsen und umfasst nur fünf kleine Sternenansammlungen.
Ein junger Riese
Jetzt jedoch haben Mark Brodwin von der University of Missouri in Kansas City und seine Kollegen einen echten Riesen unter den Galaxienhaufen aufgespürt – und noch dazu einen, der verblüffend alt ist: Der Cluster IDCS J1426.5+3508 liegt gut zehn Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und ist 280 Billionen Mal massereicher als unsere Sonne. Tausende von Einzelgalaxien sind in ihm durch Schwerkraft-Wirkungen miteinander verbunden.
„Diese Cluster sind wie gewaltige Städte im Himmel, in denen all diese Galaxien eng beieinander leben“, erklärt Koautor Michael McDonald vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zusammengehalten durch ihre gegenseitige Anziehung und durch den Einfluss großer Mengen Dunkler Materie, bilden die Galaxien charakteristische Haufen, die entlang der kosmischen Filamente das Universum durchziehen. Auch die Milchstraße ist Teil eines solchen Clusters.
Zu alt für die Theorie
„Mit dieser Entdeckung stoßen wir wirklich an die Grenzen“, sagt Brodwin. „Als eine der frühesten massereichen Strukturen, die sich im Universum bildeten, legt dieser Cluster die Latte sehr hoch für Theorien, die die Entwicklung von Galaxien und Clustern zu erklären versuchen.“ Denn solche Giganten wie IDCS J1426.5+3508 dürften nach gängiger Theorie so früh noch gar nicht existiert haben – sie sind einfach zu groß.
„Die ersten Galaxien begannen sich wahrscheinlich erst zu bilden, als das Universum schon relativ stark abgekühlt war – und trotzdem ist da schon kurz darauf dieser Cluster“, sagt McDonald. Einen Hinweis darauf, wie dieser Galaxiencluster so schnell heranwachsen konnte, gaben Aufnahmen des Röntgenteleskops Chandra. Denn in ihnen ist zu erkennen, dass die Stelle der dichtesten und hellsten Röntgenquellen im Cluster nicht in der Mitte liegt, wie sonst üblich, sondern seitlich daneben.
Wachstum durch Kollision?
Nach Ansicht der Astronomen könnte dies ein Indiz dafür sein, dass dieser Galaxienhaufen durch eine Kollision mit einem anderen so schnell groß wurde. „Im frühen Universum müssen solche Verschmelzungen von Galaxien und Clustern noch sehr häufig gewesen sein“, sagt McDonald. „Für die schnelle Entwicklung dieses jungen Clusters scheint dies eine wichtige Rolle gespielt zu haben.“
Einen weiteren Hinweis liefern Daten, die die Astronomen anhand der Lichtspektren von IDCS J1426 gewannen. Denn sie zeigen, dass das heiße Gas im Galaxienhaufen einen ungewöhnlich geringen Anteil schwererer Elemente als Wasserstoff und Helium enthält. Das spricht dafür, dass zu dieser Zeit erst wenige Sterne im Cluster ihren Lebenszyklus vollendet hatten und durch ihre Supernovae schwere Elemente ins All freigesetzt hatten. Offenbar wächst der Gigant noch.
Spannende Baustelle
„Dieser Cluster ist wie eine Baustelle – er ist unordentlich, schmutzig und eine ganze Menge ist noch unvollständig“, sagt McDonald. Gerade dadurch aber liefert er den Astronomen wertvolle Informationen darüber, wie das Universum in dieser frühen Phase aussah – und wodurch es zu dem wurde, wie wir es heute kennen. Denn bisher wurden zwar schon ein paar weitere Galaxienhaufen aus dieser Ära entdeckt, keiner aber ist so massereich wie IDCS J1426.5+350.
„Die Präsenz dieses massereichen Galaxienhaufens im frühen Universum widerspricht zwar nicht unserem bisherigen Verständnis der Kosmologie“, betont Anthony Gonzalez von der University of Florida. „Aber sie gibt uns mehr Informationen, anhand derer wir unsere Modelle verbessern können.“ (The Astrophysical Journal, in press)
(Massachusetts Institute of Technology/ NASA, 11.01.2016 – NPO)