Ein Rover als Gravimeter: Der Marsrover Curiosity hat die ersten Schwerkraftmessungen auf einem fremden Planeten durchgeführt – und so den Untergrund quasi „durchleuchtet“. NASA-Forscher haben dafür die Daten von Beschleunigungssensoren des Marsfahrzeugs zweckentfremdet. Das überraschende Ergebnis: Der Untergrund im Gale-Krater ist viel poröser als gedacht, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten.
Der Marsrover Curiosity ist ein altgedienter Pionier: Seit August 2012 erkundet das rollende Chemielabor den Gale-Krater und die Landschaft rund um den Mount Sharp – und hat bereits einige spannende Entdeckungen gemacht. So hat Curiosity organische Moleküle im Marsuntergrund nachgewiesen und mögliche Hinweise auf eine kontinentale Marskruste gefunden. Zudem lieferten seine Analysen Belege dafür, dass es im Gale-Krater einst einen lebensfreundlichen Süßwassersee gab.
Trägheitssensoren zu Schwerkraftmessern umfunktioniert
Jetzt hat der Marsrover erneut eine Pioniertat vollbracht: Er hat zum ersten Mal eine Schwerkraftmessung auf der Marsoberfläche durchgeführt – die erste auf einem fremden Planeten. Um diese Daten zu bekommen, mussten die Forscher um Kevin Lewis von der Johns Hopkins University erst kreativ werden: „Curiosity hat unter seinen Instrumenten keines, das Veränderungen in der Schwerkraft messen kann“, erklären die Forscher.
Dafür jedoch besitzt der Rover mehrere Trägheitsmessgeräte, die er für die Positionsbestimmung und Navigation beim Fahren nutzt. Ähnlich wie die Beschleunigungssensoren in einem Smartphone registrieren sie Veränderungen in der Geschwindigkeit und Lage. Wenn der Marsrover jedoch stillsteht, wirkt auf diese Sensoren die Marsschwerkraft ein. Genau diese Daten haben Lewis und sein Team nun genutzt, um durch Rekalibrierung und Analyse daraus Schwerefeldmessungen abzuleiten.
Erste Schwerkrafttraverse auf einem fremden Planeten
Aus 700 Messdaten der letzten fünf Jahre rekonstruierten die Forscher so ein Schwerkraft-Profil der unteren Hänge des Mount Sharp – des Geländes, das Curiosity in dieser Zeit erkundet hat. „Dies repräsentiert die erste Schwerkrafttraverse und Messung der Gesteinsdichte auf dem Mars“, sagt Koautor Nicholas Schmerr von der University of Maryland. Noch nie zuvor wurde eine solche Messung auf der Oberfläche eines fremden Planeten durchgeführt.
„Diese erlaubt es uns, ganz neue Informationen über das Gestein unter der Oberfläche des Mars zu bekommen“, sagt Lewis. Zwar haben auch einige Orbitersonden bereits das Schwerefeld des Roten Planeten vermessen. Weil sie jedoch so weit von der Oberfläche entfernt sind, ist ihre Auflösung gering. Der gesamte Gale-Krater mit seinen 150 Kilometern Durchmesser ist in diesen Karten kaum mehr als ein Farbklecks. Die Curiosity-Messdaten dagegen erlauben eine fast metergenaue Auflösung.
Kratergestein ist überraschend porös
Das überraschende Ergebnis: „Die Dichte des Sedimentgesteins liegt bei 1.680 Kilogramm pro Kubikmeter“, berichten die Forscher. „Das ist deutlich weniger als erwartet.“ Denn zuvor hatten Dichtemessungen einzelner Mineralproben fast das Doppelte ergeben – 2.810 Kilogramm pro Kubikmeter. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die dichten Minerale im Gestein von vielen Hohlräumen durchsetzt sind. „Die unteren Hänge des Mount Sharp sind demnach überraschend porös“, sagt Lewis.
Dies wirft ein neues Licht auf die Entstehungsgeschichte dieses marsianischen Kraterberges. Bisher nahm man an, dass der Krater einst komplett mit Sediment gefüllt war. Erst die Erosion legte dann den rund drei Kilometer hohen Berg wieder frei. Die neuen Daten aber wiedersprechen diesem Szenario. „Die geringe Dichte in den Gesteinen des Gale-Kraters sprechen dafür, dass sie nie tief begraben waren“, sagt Schmerr. „Stattdessen könnte Mount Sharp durch Windablagerung und ähnliche Prozesse entstanden sein.“
Sinnvoll auch bei anderen Missionen
Nach Ansicht der Wissenschaftler demonstrieren diese Ergebnisse, wie wertvoll gravimetrische Experimente mithilfe von mobilen Landesonden sein können. Denn die Messungen durch Rover können die Schwerkraftdaten aus dem Orbit ergänzen – und dabei überraschende Erkenntnisse bringen. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aat0738)
Quelle: University of Maryland