Elliptisch statt rund: Astronomen haben erstmals einen deutlich verformten Exoplaneten beobachtet – WASP-103b ähnelt einem Rugbyball statt einer Kugel. Ursache dieser Deformation sind die starken Gezeitenkräfte seines Muttersterns. Weil der Planet ihn sehr nah umkreist, zieht ihn die stellare Schwerkraft auseinander. Rätselhaft ist allerdings, warum dieser Exoplanet von seinem Stern wegzudriften scheint, statt von ihm immer stärker angezogen zu werden.
Gezeitenkräfte entstehen immer dann, wenn die Schwerkraft eines Himmelskörpers auf einen zweiten wirkt. Auf der Erde entstehen so Ebbe und Flut durch die Mondanziehungskraft. Weit stärker sind die Effekte allerdings, wenn sie von Sternen oder Gasriesen wie dem Jupiter verursacht werden. So walken die enormen Gezeitenkräfte des Jupiter das Innere seiner nahen Monde durch und erzeugen Wärme, die sich bei Io in heftigem Vulkanismus äußert und bei Europa den subglazialen Ozean und möglicherweise Unterseevulkane entstehen ließ.
Noch extremer müssten die Auswirkungen bei heißen Jupitern sein – extrasolaren Gasriesen, die ihre Sterne sehr nah umkreisen. Schon länger vermuten Astronomen, dass solche Exoplaneten von den Gezeitenkräften ihres Sterns elliptisch verformt werden müssten. Bisher war es jedoch noch nie gelungen, diesen Effekt nachzuweisen.
Lichtkurve verrät Deformation
Das hat sich nun geändert: Erstmals haben Astronomen einen Exoplaneten direkt beobachtet, der durch die Gezeitenkräfte seines Sterns deutlich verformt ist. Der Planet WASP-103b ist ein heißer Jupiter im Sternbild Herkules, dessen Mutterstern rund 1,7-mal größer und etwas heißer ist als unsere Sonne. Wie andere heiße Jupiter umkreist der Exoplanet seinen Stern auf einer sehr engen Umlaufbahn und benötigt nur einen Tag für einen Umlauf.
Um herauszufinden, welche Folgen dies für den Planeten hat, haben Astronomen um Susana Barros von der Universität von Porto WASP-103b mit dem Weltraumteleskop CHEOPS ins Visier genommen. Dieses Teleskop ist darauf ausgelegt, den Transit von Exoplaneten vor ihrem Stern hochaufgelöst aufzunehmen. Anhand der resultierenden Lichtkurve lassen sich nicht nur Größe und Orbit des Planeten ermitteln, sie müsste auch verraten, ob der Planet rund oder deformiert ist.
Bei WASP-103b analysierten die Forschenden die CHEOPS-Lichtkurven von zwölf Transits und werteten zusätzlich Daten der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer aus.
Rugbyball statt Kugel
Tatsächlich enthüllten die Daten: Der Exoplanet WASP-103b ist deformiert. Als Folge der starken Gezeitenkräfte ähnelt er eher einem elliptischen Rugbyball als einer Kugel. „Es ist unglaublich, dass CHEOPS diese Deformation nachweisen konnte“, sagt Koautor Jacques Laskar vom Observatorium der Sorbonne-Universität in Paris. Denn in der Lichtkurve macht sich eine solche Verformung nur an winzigen Abweichungen bemerkbar.
Damit haben Astronomen zum ersten Mal direkt nachgewiesen, dass ein Exoplanet durch die Gezeitenkraft seines Sterns verformt wurde. Aus dem Ausmaß der Deformation von WAPS-103b, seiner Größe und der geschätzten Masse konnten die Astronomen zudem Informationen über seinen inneren Aufbau gewinnen. „Der Widerstand eines Materials gegen Verformung hängt von seiner Zusammensetzung ab“, erklärt Koautor Babatunde Akinsanmi von der Universität Genf. „Indem wir messen, wie stark der Planet verformt ist, können wir deshalb feststellen, wie viel von ihm aus Gestein, Gas oder Wasser besteht.“
Diese Daten enthüllten, dass WASP-103b zwar ähnlich aufgebaut sein muss wie der Jupiter, aber stark aufgebläht ist. Wodurch genau dieses Aufblähung verursacht wurde, ist aber noch unklar.
Rätsel um orbitale Drift
Ebenfalls unklar ist der Einfluss der stellaren Schwerkraft auf den Orbit von WASP-103b. Der Theorie nach müsste die starke Anziehung des Sterns auch den Orbit eines so nahen Planeten beeinflussen – er müsste sich spiralig immer weiter verengen. Irgendwann kommt der Planet seinem Stern dadurch so nahe, dass er von dessen Schwerkraft zerrissen und verschlungen wird.
Im Falle von WASP-103b konnte das Astronomenteam aber keine klaren Indizien für eine solche Verengung des Orbits finden – eher im Gegenteil. „Es gibt leichte Hinweise auf eine Verlängerung der orbitalen Periode, was den Erwartungen widerspricht“, erklären Barros und ihre Kollegen. Ob der Exoplanet allerdings tatsächlich von seinem Stern wegdriftet oder ob die Daten auf statistische Artefakte und andere messbedingte Erzerrungen zurückgehen, muss nun noch geklärt werden. (Astronomy & Astrophysics, 2022; doi: 10.1051/0004-6361/202142196)
Quelle: European Space Agency (ESA), Universität Bern