Prominent, aber flüchtig: Die Ringe des Saturn sind erst 100 bis 400 Millionen Jahre alt – und könnten schon in rund 100 Millionen Jahren wieder verschwunden sein. Das legen zwei Studien nahe, in denen Planetenforscher Messdaten zum Einstrom von Staubteilchen in die Ringe und zum Materialverlust des Ringsystems am Saturn ausgewertet haben. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Saturnringe zu sauber sind, um aus der Frühzeit des Sonnensystems zu stammen – und dass sie wohl nicht mehr lange bestehen werden.
Der Saturn ist der unangefochtene „Herr der Ringe“ im Sonnensystem: Kein anderer Planet ein hat so komplexes, ausgedehntes Ringsystem. Schon Galileo Galilei erspähte die weit ins All hinausreichenden Wassereis-Ringe. Doch warum ausgerechnet Saturn ein so riesiges Ringsystem besitzt und wann es entstand, war lange unklar. Einige hielten die Ringe für ein Relikt aus der Entstehungszeit des Saturn oder zumindest der Frühzeit des Sonnensystems, andere vermuteten eine sehr viel späteren Ringbildung – beispielsweise durch einen zerstörten Saturnmond.
Staubmessung am Saturn
Einen weiteren Beleg für das geringe Alter der Saturnringe, haben nun Sascha Kempf von der University of Colorado in Boulder und sein Team gefunden. Ihr Ansatzpunkt war die Frage, warum die Saturnringe so „sauber“ und staubfrei sind. „Es ist fast unmöglich, im All so sauber zu bleiben“, erklärt Kempf. Denn das Sonnensystem ist von interplanetarem Staub erfüllt, der auf alle Planeten, Monde und Ringe niederrieselt – auch auf die Erde.
Trotzdem sind die Saturnringe fast staubfrei: Messungen zufolge bestehen sie zu mehr als 98 Prozent aus purem Wassereis. Kempf und sein Team haben nun untersucht, woran dies liegen könnte – ob beispielsweise die Umgebung des Saturn besonders staubfrei ist. Dafür werteten sie die Daten des Cosmic Dust Analyzer an Bord der NASA-Raumsonde Cassini aus. Diese hatte von 2004 bis 2017 den Saturn umkreist und dabei mithilfe dieses Messgeräts auch ermittelt, wie viel Staub dort umherfliegt.
Ringe sind noch „frisch“
Das Ergebnis: Auch die Umgebung des Saturn ist nicht staubfrei, wie die Messdaten bestätigten. Stattdessen werden die Ringe ständig von Staubteilchen aus dem Saturnsystem selbst und auch aus dem Rest des Sonnensystems getroffen. Im Schnitt liegt der Staubeintrag auf die Ringfläche zwar nur bei weniger als einem Gramm pro Jahr pro Quadratdezimeter – aber auch das hätte sich im Laufe von Milliarden Jahren zu einer beträchtlichen Staubmenge aufsummieren müssen.
Weil dieser Staub aber weitgehend fehlt, können die Saturnringe nicht schon in der Frühzeit unseres Sonnensystems existiert haben: „Der unausweichliche Schluss ist, dass die Ringe des Saturn nach astronomischen Maßstäben relativ jung sein müssen“, sagt Richard Durisen von der Indiana University, der den Staubeintrag in einer zweiten Studie ebenfalls untersucht hat. Das Ringsystem kann demnach nicht älter sein als 100 bis 400 Millionen Jahre. Das bestätigt frühere Annahmen und erhärtet auch die Vermutung, dass die Zerstörung eines Eismonds die Ringe schuf.
Ringsystem wird nicht lange bestehen bleiben
Interessant auch: Das Ringsystem des Saturn wird wahrscheinlich nicht lange so ausgedehnt und dicht bleiben. Denn die Ringe verlieren ständig Material, das auf den Gasriesen hinunterregnet. „Massive Ringe wie die des Saturn halten normalerweise nicht lange“, erklärt Koautor Paul Estrada vom Ames Research Center der NASA. Denn wie Durisen und Estrada ermittelten, verlieren die Ringe mehr Material als sie durch den Eintrag von Staub und Eispartikeln hinzubekommen.
„Irgendwann in nicht allzuferner Zukunft könnten daher auch die Saturnringe ausdünnen und werden dann kaum dichter sein als die spärlichen Ringe um den Uranus.“ Nach Schätzungen der Forscher könnte Saturn schon in rund 100 Millionen Jahren einen Großteil seines Ringmaterials verloren haben. „Wenn man dies mit dem geringen Alter kombiniert, dann sind die Saturnringe nicht nur jung, sondern auch noch flüchtig“, so Durisen und Estrada. Dass wir heute ein so prächtiges Ringsystem am Saturn sehen, ist daher ein kosmischer Zufall. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adf8537; Icarus, 2023; doi: 10.1016/j.icarus.2022.115221)
Quelle: University of Colorado at Boulder, Indiana Unversity