Astronomie

Sauerstoff in fernster Galaxie entdeckt

Astronomen finden unerwartet viel Sauerstoff schon 290 Millionen Jahre nach dem Urknall

Galaxie JADES-GS-z14-0
ALMA-Aufnahme der frühen Galaxie JADES-GS-z14-0 und spektrales Signal des in ihr nachgewiesenen Sauerstoffs (gelb). © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Carniani et al./S. Schouws et al/JWST: NASA, ESA, CSA, STScI, Brant Robertson (UC Santa Cruz), Ben Johnson (CfA), Sandro Tacchella (Cambridge), Phill Cargile (CfA)

Überraschender Fund: Astronomen haben erstmals Sauerstoff in der frühesten bekannten Galaxie nachgewiesen – ein unerwartetes Ergebnis. Denn diese Galaxie existierte schon 290 Millionen Jahre nach dem Urknall und dürfte daher kaum schwerere Elemente enthalten. Die Messdaten des ALMA-Teleskops belegen nun das Gegenteil. Demnach ist die frühe Galaxie JADES-GS-z14-0 chemisch überraschend weit entwickelt. Wie dies so früh so schnell möglich war, ist bislang ungeklärt.

Die ersten Sterne und Galaxien waren chemisch noch recht einfach gestrickt: Sie enthielten viel Wasserstoff und Helium, aber kaum schwerere Elemente. Denn diese wurden erst im Laufe der Zeit durch Sterne produziert und bei ihren Supernovae freigesetzt. Gängiger Annahme nach enthielten die frühesten Galaxien daher nur geringe Anteile von Elementen wie Sauerstoff, Kohlenstoff oder Eisen. Die bisher älteste spektrale Sauerstoff-Signatur wurde 2017 entdeckt und stammt aus der Zeit rund 600 Millionen Jahre nach dem Urknall.

Galaxie JADES-GS-z14-0
Position der Galaxie JADES-GS-z14-0 in einer Aufnahme des James-Webb-Teleskops, rechts die vergrößerte ALMA-Aufnahme der Galaxie. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Carniani et al./S. Schouws et al/JWST: NASA, ESA, CSA, STScI, Brant Robertson (UC Santa Cruz), Ben Johnson (CfA), Sandro Tacchella (Cambridge), Phill Cargile (CfA)

Warum ist die fernste Galaxie so hell?

Doch jetzt gibt es eine unerwartete Entdeckung – in der frühesten bekannten Galaxie. Diese Galaxie, JADES-GS-z14-0, existierte schon rund 290 Millionen Jahre nach dem Urknall. Astronomen um Stefano Carniani von der Hochschule Scuola Normale Superiore in Pisa haben sie im Sommer 2024 mithilfe des James-Webb-Teleskops entdeckt. Schon damals überraschte diese Rekordgalaxie jedoch, denn sie ist weit heller und sternenreicher als es Modelle der Galaxienentwicklung für diese frühe Ära vorsehen.

Um dieser Diskrepanz nachzugehen, haben Carniani und sein Team ihre Rekordgalaxie nun erneut ins Visier genommen – diesmal mit den Radioantennen des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile. Die Astronomen hofften, durch die Beobachtungen im Mikrowellenbereich mehr spektrale Informationen über die chemische Zusammensetzung dieser Galaxie zu erhalten.

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Unerwartet starkes Sauerstoff-Signal

Das überraschende Ergebnis: Die ALMA-Daten enthüllten eine deutliche Spektrallinie bei 88 Mikrometern – der Wellenlänge, die ionisierter Sauerstoff bei dieser Rotverschiebung emittiert. Damit ist JADES-GS-z14-0 die früheste Galaxie, in der Sauerstoff nachgewiesen wurde. „Dies repräsentiert einen substanziellen Sprung zum vorherigen frühesten Nachweis der 88-Mikrometer-Linie“, konstatieren die Astronomen.

„Ich war wirklich überrascht von diesem eindeutigen Nachweis von Sauerstoff in JADES-GS-z14-0″, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Astronom Gergö Popping von der Europäischen Südsternwarte ESO. Unerwartet auch: Die hohe Intensität der spektralen Sauerstoffsignatur spricht dafür, dass diese Galaxie rund zehnmal mehr schwerere Elemente enthält als für diese frühe Ära theoretisch vorhergesagt. Das deutet darauf hin, dass diese frühe Galaxie chemisch schon weiter entwickelt ist als gedacht.

Spektrum
Von ALMA eingefangenes Spektrum der Galaxie JADES-GS-z14-0. In der Mitte ist der Peak des ionisierten Sauerstoffs zu erkennen. © Schouws et al./ The Astrophysical Journal Preprint, CC-by 4.0

Chemisch überraschend weit entwickelt

„Es ist, als würde man einen Jugendlichen dort finden, wo man nur Babys erwartet“, sagt Sander Schouws vom Observatorium Leiden in den Niederlanden. Er ist Erstautor der zweiten Fachveröffentlichung zu diesem Sauerstoffnachweis. Insgesamt kommen die Astronomen zu dem Schluss, dass die Galaxie JADES-GS-z14-0 unerwartet schnell entstanden und gewachsen sein muss. Denn nur so konnten ausreichend viele Sterne durch ihre Kernfusion den Sauerstoff bilden und dann in Sternexplosionen freisetzen.

„Die Ergebnisse untermauern die immer zahlreicheren Belege dafür, dass die Bildung von Galaxien viel schneller vonstattengeht als erwartet“, sagt Schouws. Tatsächlich ermittelte das Team für JADES-GS-z14-0 eine relativ hohe Sternbildungsrate von rund 25 Sonnenmassen pro Jahr und einen hohen Gasanteil von 50 bis 80 Prozent. Das spricht dafür, dass diese Galaxie weiterhin im Wachstum ist.

Wo ist der Supernova-Staub geblieben?

Nicht ins Bild passt allerdings, dass die frühe Galaxie nur wenig Staub aus Supernovae enthält, wie die Astronomen berichten. Er müsste in Galaxien, die schon mehrere Generationen massereicher, kurzlebiger Sterne durchlaufen haben, eigentlich reichlich vorhanden sein. Sowohl die ALMA-Daten als auch die früheren Daten des James-Webb-Teleskops zeigen jedoch, dass das Verhältnis Staub zu Sternen bei JADES-GS-z14-0 niedriger ist als angesichts des erhöhten Anteils schwerer Elemente erwartet.

„Diese Diskrepanz in der beobachteten Supernova-Staubproduktion gegenüber dem Erwarteten lässt sich aber klären, wenn man annimmt, dass die Mehrheit des Staubes durch den Strahlungsdruck junger Sterne ausgeschleudert wurde“, erklären Schouws und seine Kollegen. Gestützt wird diese Vermutung durch die spektrale Signatur von stark beschleunigten ionisierten Gasen, die auf starke, schnelle Gasausströme aus dieser Galaxie hindeuten. Diese Gasströme könnten den Supernova-Staub mit hinausgerissen haben, so die Vermutung der Astronomen.

Was in dieser frühen Galaxie wirklich vor sich ging, könnten weitere Beobachtungen mit den ALMA-Teleskopen klären helfen: „ALMA-Beobachtungen in tieferen und höheren Frequenzen liefern mehr Daten zum Staub-Kontinuum und könnten daher entscheidende Informationen zum Staubgehalt liefern“, schreiben Carniani und seine Kollegen. (Astronomy & Astrophysics, 2025; doi: 10.1051/0004-6361/202452451; The Astrophysical Journal, accepted)

Quelle: Astronomy & Astrophysics , European Southern Observatory (ESO)

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