Astronomie

Schuf eine Galaxienkollision unsere Sonne?

Passage der Sagittarius-Zwerggalaxie löste Schübe der Sternbildung in der Milchstraße aus

Kollision
Eine Kollision mit der Sagittarius-Zwerggalaxie könnte einen Schub der Sternbildung ausgelöst haben, bei dem auch unser Sonne entstand. © ESA

Produktive Passage: Die Sagittarius-Zwerggalaxie ist schon dreimal mit unserer Milchstraße kollidiert – und hat dabei Schübe der Sternbildung ausgelöst. Sogar unsere Sonne könnte einem dieser Schübe ihre Entstehung verdanken. Denn sie bildete sich in einer Sternbildungs-Phase, die auf die erste Kollision mit der Zwerggalaxie vor rund 5,7 Milliarden Jahren folgte, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.

Unsere Milchstraße hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Mehrfach hat sie ihren Nachbarn Sternenströme und ganze Zwerggalaxien „gestohlen“ und sie ist auch schon mit anderen Galaxien kollidiert. Ihre schlimmste Kollision erlebte sie vor rund zehn Milliarden Jahren. Dieser Karambolage mit einer Zwerggalaxie verdankt die Milchstraße erst ihre heutige Form mit zentralem Bulge und äußerem Halo. Aus Beobachtungen anderer Galaxienkollisionen wissen Astronomen zudem, dass bei solchen Ereignissen oft auch die Sternbildung angeregt wird.

Sagittarius-Kollisionen
Die Sagittarius-Zwerggalaxie ist mindestens dreimal durch den Außenbereich der Milchstraße hindurch gewandert. © ESA

Folgenreiche Passagen

Ein entscheidender Akteur könnte dabei die Sagittarius-Zwerggalaxie gewesen sein – eine heute rund 50.000 Lichtjahre vom Milchstraßenzentrum liegende Sternenansammlung. „Aus gängigen Modellen weiß man, dass die Sagittarius-Zwerggalaxie schon dreimal in die Milchstraße gestürzt ist – vor knapp sechs Milliarden Jahren, vor zwei Milliarden Jahren und vor rund einer Milliarde Jahren“, erklärt Tomás Ruiz-Lara vom Astrophysikalischen Institut der Kanaren auf Teneriffa.

Doch welche Folgen hatten diese Passagen durch den Außenbereich der galaktischen Scheibe? Um das herauszufinden, haben die Astronomen nun den Sternenkatalog des Gaia-Satelliten durchsucht und die Leuchtkraft, Entfernung und Temperaturfarben von Sternen in einem Umkreis von rund 6.500 Lichtjahren um die Sonne analysiert. Aus diesen Daten konnten die Astronomen auf das Alter und damit den Entstehungszeitpunkt dieser Sterne schließen.

Schübe der Sternbildung nach jeder Kollision

Es zeigte sich: „Wir haben drei Perioden starker Sternbildung gefunden, die vor 5,7 Milliarden Jahren, vor 1,9 Milliarden Jahren und vor einer Milliarde Jahren ihren Höhepunkt hatten“, berichtet Ruiz-Lara. „Das korrespondiert mit der Zeit, zu der die Sagittarius-Galaxie durch die Scheibe der Milchstraße hindurchgewandert sein soll.“ Diese Kollisionen könnten demnach Gas und Staub in unserer Galaxie so in Bewegung versetzt haben, dass es vielerorts zum Kollabieren der Gaswolken kam und damit zur Geburt neuer Sterne.

„Sagittarius hat demnach nicht nur die Struktur und stellare Dynamik unserer Milchstraße beeinflusst, sie hat auch dazu beigetragen, dass sie gewachsen ist“, sagt Ruiz-Laras Kollege Carme Gallart. „Ein wichtiger Teil der stellaren Masse unserer Galaxie wurde erst durch die Interaktion mit Sagittarius gebildet und würde ohne sie nicht existieren.“ Astronomen vermuten zudem, dass die Sagittarius-Galaxie mitschuld an der verbeulten Form unserer Milchstraße ist.

Auch die Sonne entstand nach der ersten Passage

Auch unsere Sonne könnte einer dieser Passagen ihre Entstehung verdanken. Denn sie entstand im Rahmen eines Sternbildungs-Schubs, der vor rund 5,7 Milliarden Jahren begann – und der von der ersten Passage der Sagittarius-Zwerggalaxie ausgelöst wurde. Demnach könnten wir unsere Existenz letztlich erst dieser galaktischen Karambolage mit unserem kleineren Nachbarn verdanken.

„Wir wissen zwar nicht, ob die Gas- und Staubwolke, in der die Sonne entstand, direkt im Zuge der Sagittarius-Passage kollabierte oder nicht“, sagt Gallart. „Aber es ist ein durchaus denkbares Szenario, weil das Alter der Sonne gut zu einem Stern passt, der als Ergebnis dieser Kollision entstanden ist.“

Schrumpfkur für die Sagittarius-Galaxie

Für die Sagittarius-Zwerggalaxie gingen diese wiederholten Kollisionen allerdings weniger positiv aus. Denn die Beobachtungen sprechen dafür, dass sie schon bei ihrer ersten Passage einen Großteil ihres Gases verlor. Dadurch fehlte der Materialnachschub für neue Sterne und die Sternbildung in der Zwerggalaxie erhielt einen starken Dämpfer, wie die Astronomen erklären. Mit jeder Passage verlor Sagittarius zudem weiteres Gas und wurde kleiner. (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-1097-0)

Quelle: ESA

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