Astronomie

Schwarze Löcher als „Überlebende” kosmischer Kettenreaktion

Astronomen entdecken zwei Vertreter der mittelgroßen Schwarzen Löcher

Kombinationaufnahme der Galaxie M82 in verschiedenen Wellenlängen. (blau= Röntgen, rot= Infrarot, grün und orange= sichtbares Licht) Ausschnitt: Röntgenquellen im Zentrum © Ausschnitt: NASA/CXC/Tsinghua Univ./H. Feng et al.; Gesamt: NASA/CXC/JHU/D.Strickland; NASA/ESA/STScI/AURA/The Hubble Heritage Team; NASA/JPL-Caltech/Univ. of AZ/C. Engelbracht

Die Existenz mittelgroßer Schwarzer Löcher war bisher umstritten. Jetzt haben Astronomen gleich zwei Exemplare dieser Variante in einer nahegelegenen Galaxie entdeckt. Sie könnten „Überlebende“ einer kosmischen Kettenreaktion sein, die letztlich zur Bildung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie führte. In gleich zwei Veröffentlichungen im „Astrophysical Journal” berichten die Astronomen nun über die Funde und ihre Bedeutung.

Seit Jahren kennen Astronomen vor allem zwei Sorten von Schwarzen Löchern: eine kleine, stellare Variante mit einer Masse von rund dem zehnfachen der Sonne, die beispielsweise nach der Supernova eines massereichen Sterns entsteht. Und eine zweite, extrem massereiche Art von Schwarzen Löchern , wie sie beispielsweise im Zentrum von Galaxien wie unserer Milchstraße vorkommen. Sie besitzen eine Masse von hunderttausenden bis Milliarden von Sonnenmassen. Für diese beiden Gruppen gibt es inzwischen reichlich Beweise und genügend Beobachtungen.

Doch dann gibt es da noch eine dritte, bisher noch ziemlich rätselhafte Gruppe: die mittelgroßen Schwarzen Löcher. Die Belege für ihre Existenz sind umstritten, und wenn überhaupt, dann wurde immer nur eines pro Galaxie postuliert. Jetzt allerdings haben Astronomen in Aufnahmen des Chandra Röntgenobservatoriums der NASA und des XMM-Newton Weltraumteleskops der ESA etwas entdeckt, dass bisherigen Annahmen wieder über den Haufen wirft.

Zwei Exemplare nahe Zentrum von M82 entdeckt

In der Galaxie M82, rund zwölf Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Ursa Major gelegen, stießen die Forscher auf die Röntgensignaturen von nicht nur einem sondern gleich zwei mittelgroßen Schwarzen Löchern. Das erste Schwarze Loch liegt rund 290 Lichtjahre vom Zentrum von M82 entfernt und umfasst zwischen 2.00 und 43.00 Sonnenmassen. Bei dieser Größe erzeugt es die starke von ihm ausgehende Röntgenstrahlung nicht mehr durch das Absaugen von Materie von einem Begleitstern, wie es die meisten stellaren Schwarzen Löcher tun. Stattdessen erhält es Materie vermutlich direkt aus dem Gas seiner Umgebung.

Das zweite Objekt liegt rund 600 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum von M82 entfernt. Bei ihm fiel auf, dass die normalerweise vorhandenen periodischen und zufälligen Variationen in der Röntgenstrahlung bei den Strahlungsausbrüchen fehlten. Dies ist für die Astronomen ein starkes Indiz dafür, dass eine Scheibe aus heißem Gas das Loch umgibt und die Röntgenstrahlung beeinflusst. Den Daten nach erstreckt sich diese Gasscheibe bis an den innersten stabilen Orbit um das Schwarze Loch. Da dieser Innenrand von der Masse und dem Spin des Schwarzen Lochs abhängt, können die Forscher daraus auf die Masse des Objekts schließen. Sie kalkulieren sie auf 200 bis 800 Sonnenmassen. Diese Masse stimmt mit Theorien überein, nach der solche mittelgroßen Schwarzen Löcher durch Kollisionen von Sternen in Sternenhaufen entstehen könnten.

„Dies ist das erste Mal, dass wir gute Beweise für die Existenz von zwei mittelgroßen Schwarzen Löchern in einer Galaxie finden“, erklärt Hua Feng von der Tsinghua Universität in China, einer der Leiter der Studie. „Das gleicht den gut untersuchten Beispielen von stellaren Schwarzen Löchern, nur dass sie zwanzig Mal so massereich sind.“

Ein aktiver Galaxienkern - angetrieben durch ein supermassives Schwarzes Loch in seinem Zentrum. © ESA/NASA

Hinweis auf Bildungsart supermassiver Schwarzer Löcher

„Ihre Position nahe dem Zentrum der Galaxie könnte Hinweise über die Entstehung der größten Schwarzen Löcher des Universums liefern den supermassereichen Schwarzen Löchern im Zentrum der meisten Galaxien.“ Denn ein möglicher Mechanismus für die Bildung dieser galaktischen Riesen beruht auf einer Kettenreaktion von Sternenkollisionen in kompakten Sternenhaufen. Diese resultiert in der Anhäufung extrem massereicher Sterne, die dann wiederum kollabieren um mittelgroße Schwarze Löcher zu bilden.

Diese Haufen von Sternen und Schwarzen Löchern sinken dann zum Zentrum der Galaxie, wo die Schwarzen Löcher zu einem einigen Riesengebilde verschmelzen. Die jetzt in der neuen Aufnahme entdeckten beiden mittelgroßen Singularitäten könnten bei einer solchen Verschmelzung übrig geblieben sein, vermuten die Astronomen. Sie wären damit quasi „Überlebende“ der kosmischen Kettenreaktion.

„Wir können nicht sicher sagen, ob dieser Prozess sich tatsächlich in M82 ereignet hat”, erklärt Phil Kaaret von der Universität von Iowa. „Aber wir wissen, dass sich beide mittelgroßen Schwarzen Löcher in oder nahe Sternenhaufen befinden. Zudem ist M82 der uns am nächsten gelegene Ort, in dem die Bedingungen denen im frühen Universum ähneln.“ Denn auch damals waren die Galaxien Orte intensiver Sternengeburt.

(Chandra X-Ray Observatory, 30.04.2010 – NPO)

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