Extrem massereiche schwarze Löcher beeinflussen nicht nur ihre unmittelbare Umgebung wie bisher angenommen. Stattdessen kann die von ihnen ausgehende energiereiche Gammastrahlung auch weit entfernte Gaswolken aufheizen. Das haben Astrophysiker jetzt festgestellt. Ihre überraschende Erkenntnis hat wichtige Konsequenzen auch für die Entstehung von Strukturen im Universum.
Im Zentrum jeder Galaxie befindet sich ein extrem massereiches schwarzes Loch. Es kann hochenergetische Gammastrahlung aussenden und wird dann Blazar genannt. „Blazare schreiben die thermische Geschichte des Universums um“, sagt Christoph Pfrommer vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS), einer der Autoren. Denn einer neuen Theorie nach, beeinflusst die energiereiche Gammastrahlung dieser Blazare selbst weit entfernte Gase im Kosmos. Im Gegensatz zu energieärmerer Strahlung soll, so die Theorie, die Gammastrahlung nicht ungehindert durch den Kosmos rasen. Stattdessen wird sie auf dem Weg in Elektronen und Positronen umgewandelt.
Diese Elementarteilchen bewegen sich anfänglich fast mit Lichtgeschwindigkeit, werden aber vom diffusen Gas im Universum abgebremst. Da jeder Bremsprozess Wärme erzeugt, heizt sich das umgebende Gas dabei extrem auf. Es wird im Durchschnitt zehnmal heißer und in den kosmischen Regionen mit weniger Dichte sogar mehr als hundert Mal heißer als bisher angenommen. Doch wie kann man eine solche Idee überprüfen?
Eine Reise in die Jugendzeit des Weltalls
Die HITS-Astrophysiker überprüften diesen neu postulierten Heizprozess nun erstmals mit detaillierten Computersimulationen, die sie mit einer typischen Beobachtung abglichen: In den optischen Spektren von weit entfernten Quasaren sieht man eine Vielzahl von Linien, den sogenannten Linienwald. Er entsteht bei Absorption von ultra-violettem Quasarlicht durch neutrale Wasserstoffatome in den frühen Entwicklungsphasen des Universums. Wenn das Gas nun heißer ist, dann sind die schwächsten Linien verbreitert.
Dieser Effekt ergibt eine hervorragende Methode, die Temperatur im jungen Universum zu messen und damit quasi das Weltall in seiner Jugendzeit zu beobachten. Überraschenderweise zeigten sich die Linien gerade so verbreitert, dass sie mit der gemessenen Linienstatistik in den Quasarspektren genau übereinstimmen. „Damit können wir auf elegante Weise ein lange bestehendes Problem mit diesen Quasardaten lösen“, stellt Ewald Puchwein fest, der die Simulationen auf dem Großrechner am HITS durchführte.
Entstehung von Galaxien beeinflusst
Welche weiteren Konsequenzen ergeben sich aus dieser neuen Heizquelle? Der Linienwald in den Quasarspektren wird durch Dichteschwankungen im Universum hervorgerufen. Dabei stürzen die dichtesten Fluktuationen im Laufe der Zeit zusammen, um Galaxien und Galaxienhaufen zu bilden, wie wir sie um uns herum beobachten. Wenn das diffuse Gas zu heiß ist, kann es nicht kollabieren, und die Entstehung von Zwerggalaxien verzögert sich oder wird sogar völlig unterdrückt.
Hier könnte der Schlüssel zur Lösung eines weiteren Problems in der Theorie der Galaxienbildung liegen, das seit langem besteht: Warum werden in der Nähe unserer Milchstraße und in unterdichten kosmischen Regionen wesentlich weniger Zwerggalaxien beobachtet, als es kosmologische Simulationen vorhersagen? Volker Springel, Leiter der Forschergruppe am HITS, erklärt: „Besonders aufregend an dem neuen Prozess des Blazarheizens ist, dass dieser Effekt gleich mehrere Rätsel in der kosmologischen Strukturentstehung erklären kann.“
Die Gruppe plant nun, die Simulationsmodelle weiter zu verfeinern und so die physikalische Natur der Blazare und ihre Auswirkungen auf das heutige Universum noch besser zu verstehen. Die Forschungsergebnisse sind in den Fachpublikationen „Astrophysical Journal“ und „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” publiziert.
(Heidelberger Institut für Theoretische Studien, 16.05.2012 – NPO)