Schwergewichte im Kollektiv: Im Zentrum eines nahen Kugelsternhaufens haben Astronomen eine überraschende Entdeckung gemacht – eine ganze Ansammlung Schwarzer Löcher. Diese Sternenrelikte haben sich offenbar durch ihre eigenen Masse im Kern des Haufens angesammelt. Dort könnten sie nun miteinander verschmelzen und dadurch möglicherweise zu einem der seltenen intermediären Schwarzen Löcher werden, so die Vermutung der Astronomen.
Kugelsternhaufen sind kosmische Methusalems: Ihre rund 100.000 Sterne sind oft gemeinsam in der Frühzeit des Universums entstanden. Die 150 bis 200 Kugelsternhaufen in den Außenbereichen der Milchstraße haben demnach sogar ihre großen Kollisionen weitgehend unbeschadet überdauert. Gleichzeitig gilt das besonders dichte Innere dieser kompakten Sternenhaufen als mögliche Brutstätte der seltenen intermediären Schwarzen Löcher.
Blick ins Herz eines Uralt-Haufens
Nach diesem Sonderfall Schwarzer Löcher haben auch Eduardo Vitral und Gary Mamon von der Sorbonne Universität in Paris gesucht, als sie den Kugelsternhaufen NGC 6397 genauer in Augenschein nahmen. Er liegt rund 7.800 Lichtjahre von uns entfernt und gehört zu den sogenannten Kernkollaps-Sternhaufen: Die Schwerkraft in ihrem Zentrum ist so stark, dass die massereichsten Sterne nach innen wandern und dort am Ende ihres Lebenszyklus in Supernovae kollabieren.
Gängiger Annahme nach sammeln sich im Zentrum der Kugelsternhaufen daher Sternenrelikte wie Neutronensterne und Weiße Zwerge. Aus ihren Verschmelzungen könnten dann, so die Hypothese, intermediäre Schwarze Löcher entstehen – Objekte von 100 bis 100.000 Sonnenmassen. Um nach einem solchen Schwarzen Loch zu suchen, nutzte das Team Daten des Hubble-Weltraumteleskops und des Satelliten Gaia, um Positionen und Bewegungen der Sterne im Zentrum von NGC 6397 zu analysieren. Dies könnte verraten, ob dort ein unsichtbarer Schwerkraftgigant liegt.
Zu diffus für nur einen Schwerkraftgiganten
Das überraschende Ergebnis: „Wir haben sehr starke Indizien für eine unsichtbare Masse in der dichten Zentralregion des Haufens gefunden“, berichtet Vitral. „Aber zu unserem Erstaunen stellten wir fest, dass diese Masse nicht auf einen Punkt konzentriert ist.“ Stattdessen deuten die Sternbewegungen auf eine diffuse Massenkonzentration hin, die sich über fünf Bogensekunden ausdehnt – dies entspricht rund zwei Prozent des Haufenradius.
Mithilfe von Modellsimulationen überprüften die Astronomen, welche Objekte am ehesten zu diesen Beobachtungen passen würden. Das Resultat: Ein intermediäres Schwarzes Loch von 500 bis 600 Sonnenmassen wäre zwar nicht unmöglich, aber angesichts der Verteilung der Massen eher unwahrscheinlich. Deutlich besser stimmen die Daten dagegen mit einer Ansammlung vieler kleinerer, dichter Objekte überein.
Ansammlung stellarer Schwarzer Löcher
Worum aber handelt es sich? Wie die Astronomen erklären, könnte diese diffuse Masse aus einer Mischung von Weißen Zwergen, Neutronensternen und stellaren Schwarzen Löchern zusammengesetzt sein. „Beruhend auf der Theorie der stellaren Evolution schließen wir jedoch, dass der größte Anteil dieser Zusatzmasse in Form von Schwarzen Löchern vorliegt“, sagt Mamon. Konkret schätzen die Forscher den Anteil der Schwarzen Löcher auf 58 Prozent, den der Weißen Zwerge auf 30 und den der Neutronensterne auf zwölf Prozent.
Eine solche Ansammlung stellarer Schwarzer Löcher im Zentrum von Kugelsternhaufen wurde schon theoretisch vorhergesagt, aber bislang nicht nachgewiesen. „Unsere Studie ist die erste Beobachtung der Masse und Ausdehnung einer solchen Ansammlung aus vorwiegend Schwarzen Löchern in einem Kernkollaps-Kugelsternhaufen“, sagt Vitral.
Spannend ist dies aber auch, weil es neues Licht auf die Bildung der intermediären Schwarzen Löcher werfen könnte. Den theoretisch könnten diese Zwischenformen auch aus der Verschmelzung von stellaren Schwarzen Löchern hervorgehen. Sollten diese im Zentrum von Kugelsternhaufen stattfinden, dann könnten einige der von Gravitationswellen-Detektoren wie LIGO und Virgo eingefangenen Ereignisse möglicherweise aus solchen Sternhaufen kommen. (Astronomy & Astrophysics, 2021; doi: 10.1051/0004-6361/202039650)
Quelle: Space Telescope Science Institute, ESA