Früher Fressrausch: Astronomen haben ein Schwarzes Loch entdeckt, das weit mehr Materie verschlingt als die Theorie erlaubt. Es überschreitet das sogenannte Eddington-Limit – die maximale „Fressrate“ – um mehr als das 40-Fache, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet. Das Schwarze Loch LID-568 belegt damit, dass solche „unmöglichen“ Akkretionsraten im frühen Kosmos zumindest zeitweise möglich waren. Dies könnte helfen, eines der größten Rätsel der Astronomie zu klären.
Es ist eines der größten Rätsel der Astronomie: Schon wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall gab es im Universum Millionen bis Milliarden Sonnenmassen schwere Schwarze Löcher. Doch wie wurden sie so schnell so groß? Die Wachstumsrate eines Schwarzen Lochs ist der gängigen Theorie nach durch das Eddington-Limit begrenzt. Dieses gibt an, wie viel Materie ein Schwarzes Loch einer bestimmten Größe in einer bestimmten Zeit verschlingen kann. Einige der frühen Giganten hatten demnach seit dem Urknall nicht genügend Zeit, um so massereich zu werden – dennoch gab es sie.
Doch wie ist dies zu erklären? Einige Astronomen vermuten, dass diese frühen Giganten nicht auf stellare Schwarze Löcher als „Keime“ zurückgehen, sondern auf den direkten Kollaps massereicher Gaswolken – dies könnte ihnen von vornherein einen „Massenvorsprung“ verliehen haben. Andere gehen von seriellen Verschmelzungen Schwarzer Löcher aus oder von anomal hohen Wachstumsraten.
„Beispiellos hell im Röntgenbereich“
Jetzt haben Astronomen einen eindeutigen Beweis für Letzteres aufgespürt: Frühe Schwarze Löcher konnten das Eddington-Limit offenbar doch überschreiten – und dies in zuvor unvorstellbarem Ausmaß. Entdeckt haben dies Hyewon Suh vom National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab) in den USA und sein Team, als sie eine Reihe von optisch unsichtbaren, aber im Röntgenlicht ungewöhnlich hellen Galaxienkernen im frühen Kosmos untersuchten.
Mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops identifizierten die Astronomen dabei ein Schwarzes Loch, das aus diesen ohnehin schon ungewöhnlichen Objekten herausstach. „LID-568 ist im Röntgenbereich beispiellos hell, was auf ein höheres Maß an Akkretion hindeutet“, berichten Suh und sein Team. Die in Form dieser Röntgenstrahlung freigesetzte Energie lag um das Hundertfache höher als bei anderen vom Webb-Teleskop erfassten aktiven Galaxienkernen aus dem frühen Kosmos.
Eddington-Limit um das 40-Fache überschritten
Nähere Analysen enthüllten, dass LID-568 im Vergleich zu seiner Heimatgalaxie auch ungewöhnlich massereich ist. Das Schwarze Loch wiegt gut sieben Millionen Sonnenmassen, seine Heimatgalaxie hat eine stellare Masse von rund 200 Millionen Sonnenmassen – eigentlich viel zu wenig für einen aktiven Galaxienkern dieser Größe und Energie, wie die Astronomen erklären. Zudem entdeckten sie einen unerwartet starken Ausstrom von heißem Gas aus dem Umfeld des Schwarzen Lochs.
Zusammengenommen ergibt sich daraus: Das Schwarze Loch LID-568 verschlingt Materie in einem noch nie zuvor beobachteten Tempo: „Die Akkretionsrate liegt um das rund 40-Fache über dem theoretischen Maximum des Eddington Limits“, berichten Suh und sein Team. „Das entspricht einer extremen Super-Eddington-Akkretion.“ Innerhalb weniger Millionen Jahre könnte das Schwarze Loch dadurch von einem nur rund 100 Sonnenmassen großen Keim auf gut sieben Millionen Sonnenmassen herangewachsen sein.
Super-Wachstumsschübe könnten Rätsel um frühe Riesen lösen
Nach Ansicht der Astronomen ist dies der Beleg, dass es eine solche „Super-Eddington“-Akkretion im frühen Kosmos gab. „Unserer Entdeckung zufolge konnte ein Schwarzes Loch durch nur eine Episode eines solchen schnellen Fressens damals einen signifikanten Wachstumsschub erleben“, erklärt Suh. Er und sein Team vermuten, dass die frühen Schwarzen Löcher solche Super-Eddington-Phasen immer nur zeitweilig durchliefen. „LID-568 könnte eine solche episodische Akkretionsphase repräsentieren“, so die Astronomen.
Damit könnte das jetzt entdeckte Schwarze Loch die lange gesuchte Erklärung dafür liefern, wie die ersten massereichen Scherzen Löcher so schnell so groß werden konnten. „Die Entdeckung enthüllt einen fehlenden Schlüsselfaktor und liefert neue Einblicke in die Wachstumsmechanismen früher Schwarzer Löcher“, schreiben Suh und sein Team.
Die Astronomen wollen nun nach weiteren Beispielen für frühe Schwarze Löcher mit einer solche Super-Eddington-Akkretion fahnden. Sie könnten verraten, wie häufig diese Phasen des „unmöglichen“ Wachstums bei frühen Schwarzer Löchern vorkamen und wie lange sie anhielten. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02402-9)
Quelle: National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab)