Stellarer Gigant: Der massereichste bekannte Stern des Kosmos ist offenbar deutlich leichter als gedacht. Das enthüllt die bisher schärfste Aufnahme des Riesensterns R136a1 in der Großen Magellanschen Wolke. Demnach wiegt der stellare Riese „nur“ rund 196 statt der zuvor geschätzten 250 bis 320 Sonnenmassen. Damit ist R136a1 zwar immer noch der schwerste bekannte Stern, seine geringere Masse wirft aber ein neues Licht auf die Massenobergrenze von Sternen und das Ende solcher Giganten.
Riesen haben ein kurzes Leben: Je massereicher ein Stern ist, desto weniger Zeit benötigt er, um seine Fusionsbrennstoff zu verbrauchen. Stellare Giganten von 100 und mehr Sonnenmassen sind daher schon nach wenigen Millionen Jahren ausgebrannt und explodieren in einer Supernova. Dabei setzen sie große Mengen an schweren Elementen frei. Die vor allem im frühen Kosmos häufigen Riesensterne schufen damit wichtige Voraussetzungen für Planeten und letztlich das Leben.
Im Gewimmel verborgen
Doch wie schwer kann ein Stern maximal werden? Und wie enden diese Giganten? Bisher gibt es für keine dieser Fragen eine eindeutige Antwort. Astronomen vermuten jedoch, dass die massereichsten Sterne in einer besonderen Art von Supernova enden: Die Explosion ist bei dieser Paarinstabilitäts-Supernova so heftig, dass der Stern restlos zerrissen wird, ohne dass ein Neutronenstern oder Schwarzes Loch zurückbleibt. Denkbar wäre aber auch, dass ein solcher Stern ohne Explosion direkt zum Schwarzen Loch kollabiert.
Das Problem jedoch: Die massereichsten Sterne des Kosmos sind besonders schwer zu beobachten. Zwar strahlen sie besonders hell, gleichzeitig neigen sie jedoch zur „Rudelbildung“. Sie kommen meist geballt im dichten Zentrum von Sternhaufen vor. Dadurch überstrahlen oder verdecken sie sich gegenseitig und ihre individuellen spektralen Signaturen sind nur schwer sauber zu messen. Dies galt auch für den bisher massereichsten Stern, einen Schätzungen zufolge 250 bis 320 Sonnenmassen schweren Giganten im Zentrum des Sternhaufens R136 in der Großen Magellanschen Wolke.
Speckle-Imaging für einen scharfen Blick auf den Riesen
Ob dieser Rekordstern wirklich so massereich ist, haben nun Astronomen um Venu Kalari vom US-National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory (NOIRLab) überprüft. Mithilfe einer speziellen Technik ist es ihnen gelungen, die bisher schärfste Aufnahme des Sterns R136a1 zu erstellen. Dafür nahmen die Forschenden das Zentrum des R136-Sternhaufens mit dem Gemini South Telescope in Chile ins Visier.
Um eine größtmögliche Auflösung zu erreichen, nutzte das Team die Methode des sogenannten Speckle-Imaging. Dabei werden viele extrem kurz belichtete Aufnahmen so kombiniert, dass die Zielobjekte hell und scharf erscheinen, aber Störeffekte durch atmosphärische Turbulenzen und Streulicht minimiert werden. Kalari und seine Kollegen erstellten dafür innerhalb von rund 40 Minuten gut 40.000 Einzelaufnahmen von jeweils nur 60 Millisekunden Belichtungszeit.
Rekordstern ist leichter als zuvor gedacht
Das Ergebnis ist die bisher schärfte und aussagekräftigste Aufnahme des „Horts der Riesen“ – dem dichten Zentrum des Sternhaufens R136. Sie zeigt diese Ansammlung besonders massereicher Sterne deutlicher als zuvor und liefert so auch genauere Informationen über die Eigenschaften dieser stellaren Giganten. Basierend auf der nun besser messbaren Leuchtkraft des Sterns R136a1 konnten die Astronomen so auch dessen Masse genauer eingrenzen.
Demnach ist der Rekordstern deutlich leichter als zunächst angenommen. Statt gut 300 Sonnenmassen bringt er wahrscheinlich nur rund 196 Sonnenmassen auf die Waage, wie das Team berichtet. „Der massereichste bekannte Stern ist damit nicht so schwer, wie wir bisher dachten“, sagt Kalari. R136a1 ist zwar trotzdem noch Schwergewichts-Rekordhalter unter allen bekannten Sternen. Seine geringere Masse wirft aber neues Licht auf die Frage, wie schwer ein Stern maximal werden kann. „Die Obergrenze der stellaren Masse könnte niedriger liegen als zuvor angenommen“, so Kalari.
Neue Sicht auf Massenobergrenze und Super-Supernovae
Wichtig ist dies vor allem deshalb, weil es mehr Klarheit über das Ende solcher extrem massereichen Sterne bietet. „Wenn Sterne mit 300 Sonnenmassen selbst im lokalen Universum existieren, dann müssten hier auch entsprechend viele Paarinstabilitäts-Supernovae vorkommen“, erklären die Astronomen. Bisher gibt es aber nur wenige extrem helle Sternexplosionen, die zumindest als Kandidaten für eine solche Super-Supernova in Frage kommen.
Hinzu kommt: Bei einer Paarinstabilitäts-Supernova werden besonders große Mengen an schwereren Elementen – in der Astronomen-Fachsprache Metalle – freigesetzt. Weil massereichen Sterne nur wenige Millionen Jahre alt werden, wären solche Explosionen entsprechend häufig. „Doch schon eine einzige solche Supernova eines 300 Sonnenmassen schweren Sterns würde mehr Metalle ins interstellare Medium freisetzen als alle leichteren Sterne zusammen“, so die Forschenden. Bisher fehle jedoch der Hinweis auf solche Elementsignaturen.
„Die Bedeutung der geringeren Masse für R136a1 liegt darin, dass dies die stellare Massen-Obergrenze senkt – und das umgeht die Notwendigkeit für Paarinstabilitäts-Supernovae“, erklären die Astronomen. Dies wiederum könnte erklären, warum man bisher nicht schon mehr solcher Super-Sternexplosionen und ihre Folgeerscheinungen beobachtet hat. (The Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-4357/ac8424)
Quelle: Association of Universities for Research in Astronomy (AURA), NOIRLab