Astronomie

Stellares Schwarzes Loch mit Rekordmasse

Schwerstes aus einem Stern entstandenes Schwarzes Loch der Milchstraße liegt nur 2.000 Lichtjahre entfernt

stellares Schwarzes Loch
Wenn ein sehr massereicher Stern kollabiert, entsteht ein Schwarzes Loch. Doch wie schwer können solche stellaren Schwarzen Löcher werden? © vchal/ Getty images

Unsichtbares Schwergewicht: Astronomen haben das massereichste aus einem Stern entstandene Schwarze Loch in der Milchstraße entdeckt. Mit rund 33 Sonnenmassen ist das BH3 getaufte Objekt dreimal so schwer wie die meisten anderen stellaren Schwarzen Löcher. Der neue Rekordhalter liegt zudem nur rund 2.000 Lichtjahre von uns entfernt und ist damit das zweitnächste Schwarze Loch, wie das Team in „Astronomy & Astrophysics“ berichtet. Doch wie ist die große Masse dieses Schwergewichts zu erklären?

Wie schwer kann ein stellares Schwarzes Loch werden? Bisher ist diese Frage erst in Teilen geklärt. Klar scheint, dass solche Objekte entstehen, wenn ein alter, massereicher Stern in einer Supernova explodiert. Allerdings verlieren sehr schwere Sterne den größten Teil ihrer Masse im Alter wieder, weil dann starke Sternenwinde Material ins All hinausreißen. Selbst Sterne von mehr als 30 Sonnenmassen erzeugen dadurch Schwarze Löcher von weniger als 20 Sonnenmassen – so die bisherige Annahme.

Dazu schienen auch die bisherigen Beobachtungen zu passen: „Alle bisher bekannten stellaren Schwarzen Löcher der Milchstraße sind typischerweise weniger als zehn Sonnenmassen schwer“, erklären die Astronomen der Gaia-Kollaboration um Pasquale Panuzzo von Observatorium Paris. Einziger Ausreißer ist Cygnus X-1, ein Doppelsystem aus einem massereichen Stern und einem stellaren Schwarzen Loch von rund 20 Sonnenmassen.

Stern und Schwarzes Loch
Der Stern kreist um ein unsichtbares, aber sehr massereiches Objekt. © ESO/ L. Calçada

Stern kreist um unsichtbaren Partner

Doch nun haben Panuzzo und sein Team ein Schwarzes Loch entdeckt, dass noch schwergewichtiger ist. Aufgespürt haben die Astronomen das BH3 getaufte Objekt, als sie die jüngsten Daten des europäischen Gaia-Weltraumteleskops auswerteten – eigentlich waren sie auf der Suche nach weiteren Doppelsternsystemen. Dabei fiel ihnen ein rund 2.000 Lichtjahre entfernter Stern auf, der sich verhielt, als würde er einen Partnerstern umkreisen: Er kreiste in einem elliptischen, rund 11,6 Jahre dauernden Orbit.

Doch vom Partner dieses Sterns war auch nach genaueren Analysen mithilfe hochauflösender Spektrometer des Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte in Chile nichts zu sehen. „Die Spektren zeigen kein Anzeichen für die Präsenz einer zweiten Komponente“, berichten Panuzzo und seine Kollegen. Die Orbitform und Bewegung des Sterns ließ jedoch darauf schließen, dass der Stern um ein sehr schweres Objekt von rund 33 Sonnenmassen kreisen musste.

Zweitnächstes Schwarzes Loch

Nach Ansicht der Astronomen gibt es dafür nur eine Erklärung: Der Stern umkreist ein inaktives und daher unsichtbares Schwarzes Loch. „Die Masse ist zu groß für einen oder zwei sich eng umkreisende Neutronensterne“, erklären sie. Auch zwei sich eng umkreisende Schwarze Löcher geringerer Masse seien aufgrund der Merkmale eher unwahrscheinlich. Die einfachste und naheliegendste Erklärung sei daher ein sehr massereiches stellares Schwarzes Loch.

„Niemand hat damit gerechnet, ein massereiches Schwarzes Loch zu finden, das in der Nähe lauert und bisher unentdeckt geblieben ist“, sagt Panuzzo. „Diese Art von Entdeckung macht man nur einmal in seinem Forscherleben.“ Mit nur 2.000 Lichtjahren Entfernung ist BH3 das der Erde zweitnächste Schwarze Loch. Das uns am nächsten liegende Exemplar BH1 wurde 2022 aufgespürt und liegt 1.560 Lichtjahre entfernt, ist aber deutlich leichter.

Schwarze Löcher im Vergleich
Gaia BH3 ist das massereichste stellare Schwarze Loch, das bisher in der Milchstraße gefunden wurde. Hier zum Vergleich der bisherigen Rekordhalter Cygnus X-1 und das erdnächste Schwarze Loch BH1. © ESO/ M. Kornmesser

Schwerer als die Theorie erlaubt?

Das Entscheidende jedoch: BH3 ist für ein stellares Schwarzes Loch fast unerklärlich schwer. „Die 33 Sonnenmassen machen BH3 zum massereichsten Schwarzen Loch stellaren Ursprungs, das je in unserer Galaxie entdeckt worden ist“, schreiben die Astronomen. Ähnlich schwer sind nur einige extragalaktische Schwarze Löcher, die Astronomen mithilfe von Gravitationswellen beim Verschmelzen „belauscht“ haben. Auch sie sind deutlich schwerer, als der Theorie nach bei normalen Supernovae gebildet werden.

Die außergewöhnlichen Merkmale dieses Schwarzen Lochs machen BH3 damit zu einem bisher einmaligen Testobjekt. „In Anbetracht der Einzigartigkeit der Entdeckung haben wir den außergewöhnlichen Schritt unternommen, diese auf vorläufigen Daten basierende Arbeit vor der bevorstehenden Ausgabe der Gaia-Daten zu veröffentlichen“, sagt Koautorin Elisabetta Caffau von Observatorium Paris. Dies ermöglicht es auch anderen Astronomen, dieses Schwarze Loch genauer zu untersuchen.

Metallarmut könnte eine Erklärung liefern

Im Zentrum steht dabei die Frage, wie ein solches Schwergewicht überhaupt entstehen konnte. Einen ersten Hinweis darauf könnten die Astronomen in der Zusammensetzung des Partnersterns von BH3 gefunden haben. „Stellare Schwarze Löcher mit mehr als 30 Sonnenmassen können mit den Modellen der Sternentwicklung versöhnt werden, wenn ihre Vorgänger besonders metallarm sind“, erklären Panuzzo und sein Team.

Solche fast nur aus Wasserstoff und Helium bestehenden Riesensterne erzeugen nur einen schwachen Sternenwind und verlieren daher vor ihrer Supernova weniger Material. Tatsächlich ergaben die spektralen Analysen des Partnersterns von BH3, dass dieser nur wenige schwere Elemente enthält. „Diese geringe Metallizität stützt das Szenario, nach dem solche metallarmen Sterne die Vorgänger der massereichen stellaren Schwarzen Löcher sind“, berichten die Astronomen. Ob das so ist, sollen nun weitere Beobachtungen zeigen. (Astronomy & Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202449763)

Quelle: European Southern Observatory (ESO)

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