Das Planetensystem K2-290 ist extrem ungewöhnlich, denn es wirkt wie zufällig zusammengewürfelt: Die Planetenbahnen sind um 124 Grad gegen den Sternenäquator gekippt und noch dazu rotiert der Stern falsch herum – seine Rotation ist gegenläufig zur Bewegung der beiden Planeten, wie neue Beobachtungen enthüllen. Eine so extreme Fehlausrichtung legt nahe, dass das System schon vor Bildung der Planeten aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.
Weil Sterne und Planeten aus einer gemeinsamen Ursprungswolke entstehen, sind sie normalerweise gleichgerichtet: Die Planeten umkreisen den Zentralstern in dessen Rotationsrichtung und meist parallel zum stellaren Äquator – das ist auch im Sonnensystem der Fall. Doch es gibt auch Ausnahmen von dieser Regel, darunter Exoplaneten mit stark gekippter Umlaufbahn oder sogar retrograden Orbits. Sie kreisen dann entgegen der Rotationsrichtung ihres Sterns.
Störung schon vor der Planetenbildung?
Doch wie kommen solche gestörten Systeme zustande? Bisher führt man Fehlausrichtungen zwischen Stern und Planet meist auf störende Schwerkraft-Einflüsse zurück. Dabei wird der Planet durch den Einfluss eines weiteren, schwereren Planeten im System oder den Störeffekt eines vorbeiziehenden Sterns aus seiner alten Bahn geworfen. Das führt dann meist dazu, dass einzelne Himmelskörper in solchen Systemen „aus der Reihe tanzen“.
Theoretisch gibt es aber noch ein anderes Szenario: Schon vor der Planetenbildung könnte ein Störeinfluss den Stern und seine protoplanetare Scheibe voneinander entkoppeln. Eine solche „schiefe Scheibe“ haben Astronomen 2014 in einem jungen Doppelsternsystem entdeckt. Wenn in einem solchen System dann Planeten entstehen, wären sie zwar untereinander gleichgerichtet, weichen aber von der Ausrichtung ihres Sterns ab.
„Ein ideales Beispiel für dieses Szenario bestünde aus einem koplanaren System mehrerer Planeten und einem rückwärtsrotierenden Stern“, erklären Maria Hjorth von der Universität Aarhus und ihre Kollegen. „Bisher wurden aber keine definitiven Beispiele dieser Art gefunden.“
Zwei Planeten und ein Stern
Doch nun gibt es eins: Das Planetensystem K2-290 folgt genau diesem Muster. Schon länger ist bekannt, dass der sonnenähnliche Hauptstern in diesem Dreifach-Sternsystem zwei Planeten besitzt. Der innere Planet K2-290b benötigt für einen Umlauf gut neun Tage und hat den dreifachen Erdradius – er ist ein „heißer Sub-Neptun“. Der äußere Planet K2-290c benötigt rund 48 Tage für einen Umlauf und ähnelt mit rund elffachem Erdradius und 246 Erdmassen eher dem Jupiter.
Unklar war jedoch bisher, in welche Richtungen sich die Planeten bewegen und wie ihre Orbits zueinander und zum Stern ausgerichtet sind. Das haben Hjorth und ihre Kollegen nun mithilfe hochaufgelöster optischer Spektroskopie untersucht. Dafür beobachteten sie mit mehreren erdbasierten Teleskopen, wann die Planeten welche Lichtanteile beim Vorbeiziehen vor ihrem Stern schlucken.
„Wenn die stellare Rotation und die orbitale Bewegung des Planeten gleichgerichtet sind, dann blockiert der Planet während der ersten Hälfte des Transits das blauverschobene, von der auf uns zudrehenden Seite des Sterns ausgehende Licht“, erklären die Astronomen. „In der zweiten Hälfte des Transits wird dementsprechend primär der rotverschobene Lichtanteil blockiert.“
Gekippt und gegenläufig
Die Analysen ergaben: Bei K2-290 ist es genau umgekehrt – und dies bei den Transits beider Planeten Daraus schließen die Forscher, dass die beiden Planeten von K2-290 zwar in die gleiche Richtung kreisen, aber gegenläufig zur Rotationsrichtung ihres Sterns. Von ihnen aus gesehen dreht sich der Stern damit rückwärts. Gleichzeitig ist die Bahnebene der beiden Planeten um 124 Grad gegenüber dem Sternenäquator gekippt, wie Hjorth und ihre Kollegen berichten.
Damit hat K2-290 genau die Konfiguration, die man für ein System mit sehr früher Störung vermutet. „Das System ist der bisher beste Kandidat für eine solche primordiale Fehlausrichtung“, schreiben Hjorth und ihre Kollegen. Denn diese Konfiguration sei nur schwer durch Turbulenzen nach der Planetenbildung zu erklären.
Begleitstern als „Täter“?
Hinzu kommt: Das Team hat auch schon einen Schuldigen für den frühen Störeffekt ausgemacht: den zweiten Stern in diesem Dreiersystem. „Der einzigartige Aspekt bei K2-290 ist, dass ein Begleitstern bereits gefunden wurde und dass dieser Eigenschaften besitzt, die ihn zu einem guten Kandidaten für die Störung der protoplanetaren Scheibe machen“, erklären die Astronomen.
Der Rote Zwerg K2-290 B ist gerade nahe genug, um Zentralstern und protoplanetare Scheibe durch Schwerkraft-Resonanzen aus dem Lot zu bringen, wie Modellsimulationen ergaben. Dabei erzeugen die konkurrierenden Anziehungskräfte zwischen den beiden Sternen und zwischen den Sternen und der Scheibe die Störeffekte. Sie führen mit der Zeit dazu, dass die Scheibe so stark kippt, dass der Stern irgendwann sogar falschherum zu rotieren scheint.
Bislang eindeutiger Beleg für primordiale Störung
„Damit liefert das System die bisher eindeutigste Demonstration, dass Sterne und ihre protoplanetaren Scheiben durch den Schwerkrafteinfluss eines Nachbarsterns extrem aus dem Gleichgewicht gebracht werden können“, konstatieren Hjorth und ihr Team. „Die Architektur des K2-290-Systems zeigt, dass wir es nicht als gegeben ansehen können, dass Sterne und ihre protoplanetaren Scheiben immer gut ausgerichtet sind.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2017418118)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences