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Astronomie

Sonden-Duo knackt Sonnenwind-Rätsel

Erster Beweis für die Energieübertragung von Magnetwellen auf den Sonnenwind

Solar Orbiter und Parker Solar Probe
Messungen der beiden Raumsonden Solar Orbiter und Parker Solar Probe haben den "Tempomacher" des schnellen Sonnenwinds identifiziert – und so ein jahrzehntealtes Rätsel gelöst. © ESA

Ein Teilchenstrom, zwei Sonden: Ein glücklicher Zufall hat Astronomen geholfen, ein jahrzehntealtes Rätsel zu lösen – den „Tempomacher“ des Sonnenwinds. Zwei Raumsonden haben denselben Sonnenwind-Strom in unterschiedlichem Abstand von der Sonne analysiert. Dies enthüllte, dass anfängliche Magnetfeld-Schwingungen – sogenannte Alfvén-Wellen – weiter außen in Wärme und Geschwindigkeit umgewandelt werden. Damit bestätigen diese Messungen eine schon in den 1960er Jahren postulierte Theorie, wie Forschende in „Science“ berichten.

Der Sonnenwind prägt das gesamte Sonnensystem: Der energiereiche Strom geladener Teilchen bildet die schützende Heliosphäre um unser System, hinterlässt aber auch Spuren an den Monden und Planeten. Der Sonnenwind verformt ihre Magnetfelder, reißt an ihrer Gashülle und erzeugt Polarlichter. Das Merkwürdige jedoch: Anstatt mit wachsender Entfernung von seinem solaren Ursprung immer langsamer und energieärmer zu werden, beschleunigt sich der schnelle Anteil des Sonnenwinds unterwegs sogar noch. Gleichzeitig kühlt der Teilchenstrom langsamer ab als er dürfte.

Switchbacks
Im Sonnenwind haben Sonden riesige, magnetische Spitzkehren nachgewiesen. Diese „Switchbacks“ sind Indizien für sogenannte Alfvén-Wellen. © Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

Magnetische Riesenwellen im Verdacht

Aber warum? Schon seit den 1960er Jahren haben Astronomen dafür eine spezielle Art magnetischer Schwingungen im Verdacht, die sogenannten Alfvén-Wellen. Sie transportieren Energie in Magnetfeldern und können diese auch auf das umgebende Plasma übertragen. Es gab auch schon Indizien für solche Alfvén-Wellen im Sonnenwind, darunter sogenannte „Switchbacks“ – riesige s-förmige Spitzkehren im Teilchenstrom, die die ESA-Raumsonde Polar Orbiter 2022 erstmals fotografieren konnte.

Doch den endgültigen Beweis für die Beteiligung der Alfvén-Wellen haben Astronomen erst jetzt erhalten – durch einen glücklichen Zufall: Zwei Sonnenforschungssonden – die Parker Solar Probe der NASA und der Solar Orbiter der ESA waren unabhängig voneinander im selben Gebiet unterwegs. „Dabei durchquerten Parker und Solar Orbiter dieselbe Sonnenwindströmung im Abstand von zwei Tagen“, berichten Yeimy Rivera vom Harvard and Smithsonian Center for Astrophysics und seine Kollegen.

Zwei Stadien desselben Windes

Der Clou dabei: Die Parker Solar Probe durchflog die Sonnenwindströmung am Außenrand der solaren Korona, nur rund neun Millionen Kilometer von der Sonnenoberfläche entfernt. Damit bewegte sie sich einem Bereich, in dem häufiger Alfvén-Wellen beobachtet wurden. Der Solar Orbiter hingegen passierte den Plasmastrom weiter außen: Seine Instrumente analysierten den Teilchenstrom 89 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. „Sie haben so denselben Strom in verschiedenen Stadien seiner Reise von der Sonne ins All beprobt“, erklärt Rivera.

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Die Messungen enthüllten einen spannenden Unterschied: Zwar hatte der Sonnenwind an beiden Stellen die gleiche Gesamtenergie, diese war aber unterschiedlich verteilt. In Sonnennähe waren rund zehn Prozent der Energie in Form der magnetischen Alfvén-Wellen gespeichert. Weiter außen sank dieser Anteil auf nur noch rund ein Prozent. Dafür hatten die Teilchen des Sonnenwinds ungefähr den fehlenden Energiebetrag von rund 3,9 Watt pro Quadratmeter dazu gewonnen. Sie waren dadurch beschleunigt und erwärmt worden, wie die Astronomen feststellten.

Energieübertragung liefert die Antwort

Damit liefern die Daten den lange gesuchten Beweis: Die Alfvén-Wellen müssen ihre Energie auf den Sonnenwind übertragen haben. Damit sind sie die lange gesuchten „Tempomacher“ des schnellen Sonnenwinds und die Ursache dafür, dass der Sonnenwind auf seinem Weg von der Sonne weg noch schneller wird und langsamer abkühlt als normal. Das seit den 1960er Jahre bestehende Rätsel um den schnellen Sonnenwind ist damit gelöst.

„Es hat mehr als ein halbes Jahrhundert gedauert, um diese Rolle der Alfvén-Wellen zu beweisen. Jetzt wissen wir, dass sie genau das tun, was wir vermutet haben“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Astrophysiker John Belcher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Gleichzeitig liefern die neuen Erkenntnisse auch wertvolle Informationen über solche Teilchenwinde bei fremden Sternen. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adk6953)

Quelle: European Space Agency (ESA), Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

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