Auf Kollisionskurs: Ein Strom aus Dunkler Materie weht mitten durch unser Sonnensystem – und das mit hoher Geschwindigkeit, wie Astronomen festgestellt haben. Mit rund 500 Kilometern pro Sekunde bewegt sich dieser sogenannte „S1-Strom“ doppelt so schnell durch die Milchstraße wie unsere Sonne. Das schadet uns nicht, könnte es aber künftig leichter machen, in diesem „Sturm“ aus Dunkler Materie nach den Teilchen dieser exotischen Materieform zu fahnden.
Es gibt viermal mehr Dunkle Materie als normale Materie im Kosmos – und trotzdem wissen wir so gut wie nichts über sie. Klar scheint nur, dass die Dunkle Materie nahezu überall im Universum vorkommt – in unserer Milchstraße ebenso wie in Zwerggalaxien, gewaltigen Strömen und vielleicht sogar feinen „Haaren“ in Erdnähe. Ihr Schwerkrafteinfluss hält Galaxien zusammen und prägt auch die Bewegung von Sternansammlungen im Umfeld unserer kosmischen Nachbarschaft.
Sternenstrom auf Kollisionskurs
Solche Ströme aus Dunkler Materie gibt es auch in unserer Milchstraße. Sie entstanden, als benachbarte Zwerggalaxien durch den Schwerkrafteinfluss unserer Galaxie zerrissen wurden. Übrig blieben Ströme aus Gas, Sternen und Dunkler Materie. „Es gibt Unmengen dieser Ströme in unserer Galaxie, einige davon sind so groß, dass man sie am Himmel sehen kann“, erklärt Ciaran O’Hare von der Universität Saragossa.
Doch einer dieser Ströme ist besonders spannend. Denn sein Weg kreuzt den unserer Sonne, wie Astronomen erst im letzten Jahr mittels Daten des Gaia-Satelliten entdeckten. Demnach liegt unser Sonnensystem mitten in diesem gewaltigen Strom aus 30.000 Sternen und noch viel mehr Dunkler Materie. Die Sonne und dieser sogenannte S1-Strom bewegen sich auf der fast gleichen elliptischen Bahn durch unsere Milchstraße.
„Hurrikan“ aus Dunkler Materie
Das Spannende daran: Der S1-Strom ist ungewöhnlich schnell, wie nun O’Hare und seine Kollegen ermittelt haben. Ihren Berechnungen nach rast die Dunkle Materie in ihm mit rund 500 Kilometern pro Sekunde durch die Milchstraße – das ist gut doppelt so schnell wie unsere Sonne. Denn sie kreist mit 240 Kilometern pro Sekunde um des Milchstraßenzentrum.
Das aber bedeutet, dass unser Sonnensystem ständig von einem unsichtbaren, nicht direkt nachweisbaren Sturm aus Dunkler Materie durchweht wird. In einem Kommentar der American Physical Society wird er sogar als „Hurrikan“ aus Dunkler Materie bezeichnet. Sorgen machen muss man sich deswegen aber nicht, weil wir von diesem Dunkle-Materie-Sturm nichts merken und er uns auch nicht schadet.
Chance zum Nachweis von Axionen
Die Entdeckung des Sturmbands aus Dunkler Materie wirft ein neues Licht auf unsere Chance, die rätselhaften Teilchen der Dunklen Materie endlich nachzuweisen. Denn dank des schnellen S1-Stroms müssten auch vermehrt Teilchen der Dunklen Materie durch unser Sonnensystem und bis zur Erde geweht werden. Ob und mit welchen Detektoren dies möglich sein könnte, haben O’Hare und sein Team kalkuliert.
Ihr Ergebnis: Aktuelle Detektoren, die nach „Weakly Interacting Massive Particles“ (WIMPs) als Partikeln der Dunklen Materie fahnden, haben wahrscheinlich kaum Chancen, fündig zu werden. Anders ist dies mit Detektoren, die nach Axionen suchen – ebenfalls rein hypothetischen Teilchen, die deutlich leichter sind als WIMPs. Nach Angaben der Astronomen liegen die Empfindlichkeiten dieser Detektoren in einem Bereich, der für das Aufspüren der Axionen aus dem S1-Strom ausreichen müsste – wenn es die Axionen wirklich gibt. (Physical Review D, 2018; doi: 10.1103/PhysRevD.98.103006)
(American Physical Society, 14.11.2018 – NPO)