Mysteriöse Sprünge: Astronomen haben einen neuen Typ der kosmischen Radioblitze entdeckt – einen Fast Radioburst (FRB), dessen wiederkehrende Pulse extreme Sprünge in ihrer Polarisationsrichtung zeigen. Die Spanne der sogenannten Faraday-Rotation ist bei diesen Radiopulsen größer als bei allen Pulsaren in der Milchstraße zusammen, wie das Team in „Science“ berichtet. Hinzu kommt, dass sich auch das Vorzeichen dieser Rotation mehrfach ändert. Das könnte auf einen ungewöhnlichen Urheber dieser Radiobursts hindeuten.
Fast Radiobursts (FRB) sind eines der großen Rätsel der modernen Astronomie. Denn bisher ist unklar, wie diese ultrakurzen, aber extrem starken Radiopulse entstehen. Ihre meist extragalaktischen Herkunftsorte sind zu weit entfernt, um Details zu verraten. Die meist starke Polarisation der Fast Radiobursts legt aber nahe, dass sie aus einem stark magnetisierten Umfeld stammen – beispielsweise von einem jungen Magnetar oder einem Neutronenstern im Umfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs.
Merkwürdig jedoch: Einige Quellen von Fast Radiobursts blitzen nur einmal auf, andere senden periodisch wiederholte Radiopulse aus. Mindestens zwei dieser „Serientäter“ erzeugen jedoch Radiopulse, deren Merkmale nicht zu einem Magnetar als Urheber passen: Einer ist zu tief, der andere kommt aus einem Kugelsternhaufen voller uralter Sterne – von Magnetaren keine Spur.
„Serientäter“ im Visier
Jetzt haben Astronomen eine weitere Eigenheit bei einem Fast Radioburst entdeckt: Seine Polarisation zeigt überraschende Sprünge. Das Team um Reshma Anna-Thomas von der West Virginia University hatte für ihre Studie die Radiopulse des „Serientäters“ FRB 20190520B näher untersucht. Diese Quelle setzt durch Pausen getrennte Serien von kurz hintereinander folgenden Radiobursts frei. Parallel dazu ist auch eine schwache konstante Radiostrahlung detektierbar.
Die Astronomen nahmen FRB 20190520B über mehrere Monate hinweg mit zwei großen Radioteleskopen ins Visier: Das Parkes-Radioteleskop in Australien zeichnete die Pulse im Frequenzbereich von 704 Megahertz bis 4,03 Gigahertz auf, das Green-Bank-Radioteleskop in den USA deckte die Frequenzen von 1,1 bis 1,8 Gigahertz und 4 bis 8 Gigahertz ab. Insgesamt registrierten die beiden Teleskope knapp 140 Radioblitze von dieser Quelle. Deren Merkmale und insbesondere ihre lineare Polarisation haben die Astronomen näher analysiert.
Überraschend große Sprünge
Es zeigte sich: Die Radiopulse von FRB 20190520B sind in ihren höheren Frequenzanteilen deutlich linear polarisiert – ihre Radiowellen schwingen vorwiegend in einer Richtung. In den niederfrequenteren Wellenbereichen scheint diese Polarisation aber nicht vorhanden oder nur sehr schwach ausgeprägt: „Der FRB depolarisiert unterhalb von Radiofrequenzen von rund einem bis drei Gigahertz,“, berichtet das Forschungsteam.
Das Überraschende jedoch: Die Drehrichtung der linearen Polarisation springt zwischen den einzelnen Pulsen aus dieser Quelle stark und zeigt eine enorme Spannweite. „Die Spanne der gemessenen Faraday-Rotationswerte für FRB20190520B ist genauso groß wie die aller Pulsare in der Milchstraße zusammen“, schreiben Anna-Thomas und ihre Kollegen. Die Werte für die Faraday-Rotation wechselten im Laufe der 17 Monate der Beobachtung von minus 10.000 bis auf plus 10.000 und zurück in noch extremere Minuswerte.
Wechselnde Magnetfeld-Richtung nahe der Quelle
Wie aber kommt dieser extreme Wechsel zustande? Die Richtung der linearen Polarisation einer Strahlung kann durch den kombinierten Einfluss eines Magnetfelds und Veränderungen der Elektronendichte im umgebenden Plasma verändert worden sein. „Aber um einen Vorzeichenwechsel zu bewirken, muss sich das magnetische Feld umgepolt haben“, erklärt Koautor Di Li vom Nationalen Astronomischen Observatorium in Peking. Dies deutet auf eine sehr turbulente magnetische Umgebung am Herkunftsort hin.
Auf der Suche nach einer Erklärung fahndeten die Astronomen als nächstes nach Radiosignalen mit ähnlich breiter Faraday-Spanne – und wurden fündig: „Die galaktische Radioquelle, die FRB 20190520B in dieser Hinsicht am ähnlichsten ist, ist ein Pulsar, der periodisch durch seinen Begleitstern verdeckt wird“, berichten sie. „Beide haben Faraday-Rotationen, die die Nulllinie durchqueren.“
Erzeugt ein Begleitstern diesen Effekt?
Nach Ansicht der Forschenden könnten demnach auch die Radiopulse von FRB20190520B von der Wechselwirkung mit einem stellaren Begleiter geprägt sein. Ihrem Szenario zufolge beeinflusst der magnetische und turbulente Sternenwind dabei die Polarisation der freigesetzten Radiostrahlung. Je nach Abstand und Position der beiden kosmischen Objekte zueinander, verändert sich die Richtung der linearen Polarisation und kann sich im Extremfall auch ganz umkehren.
Das seltsame Verhalten des Fast Radiobursts FRB20190520B geht demnach wahrscheinlich auf die Interaktion mit einem zweiten Objekt zurück. Ob der Urheber der Radiostrahlung selbst ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch ist, bleibt aber vorerst offen. Ebenso ungeklärt bleibt, ob die verschiedenen Varianten der Radiobursts alle auf die gleiche Art von Urheber zurückgehen oder ob ganz verschiedene kosmische Objekte dahinterstecken.(Science, 2023; doi: 10.1126/science.abo6526)
Quelle: Science, Chinese Academy of Sciences