Kosmisches Extremereignis: Astronomen haben die energiereichste je beobachtete komische Explosion entdeckt. Der acht Milliarden Lichtjahre entfernte Ausbruch setzte mehr Energie frei als jedes andere vorübergehende Ereignis im Weltall und hält seit fast drei Jahren an. Über die Ursache der AT2021lwx getauften Mega-Explosion können die Forschenden bisher nur spekulieren. Sie vermuten aber, dass ein supermassereiches Schwarzes Loch eine gigantische, tausende Sonnenmassen schwere Gaswolke zerrissen und verschlungen hat.
Heftige Explosionen und Strahlungsausbrüche sind im Kosmos keine Seltenheit: Sterne und Weiße Zwerge explodieren oder verschmelzen mit Partnern, Planeten werden von ihren Sternen verschlungen und Schwarze Löcher zerreißen alles, was ihnen zu nahe kommt. Als stärkste Strahlenquellen im Kosmos gelten Hypernovae, Gammastrahlenausbrüche und sogenannte Tidal Disruption Events (TDE) – das Zerreißen von Sternen an einem supermassereichen Schwarzen Loch.
Extremes Aufleuchten
Doch jetzt haben Astronomen ein Ereignis entdeckt, das alles Bisherige überstrahlt. Zuerst detektiert wurde das helle Aufleuchten der Explosion am 13. April 2021 von der Zwicky Transient Facility (ZTF) in Kalifornien, einem speziell auf die Beobachtung kurzlebiger kosmischer Phänomene ausgelegten Instrument am Palomar-Observatorium. Fast gleichzeitig schlug auch ein automatisiertes Asteroidenwarnsystem auf Hawaii an, weil die Entfernung der hellen Strahlungsquelle zunächst nicht klar war.
Erst bei näherer Analyse des Spektrums zeigte sich, dass die Quelle dieses AT2021lwx getauften Ausbruchs in rund acht Milliarden Lichtjahren Entfernung liegen musste. Zunächst vermuteten Astronomen aufgrund des plötzlichen Aufleuchtens, dass es sich bei dieser Explosion um eine Supernova oder um einen Sternentod an einem Schwarzen Loch handeln könnte – doch das helle Aufleuchten hörte gar nicht mehr auf.
„Die meisten Supernovae und Tidal Disruption Events halten maximal einige Monate an, bevor sie verblasst sind“, erklärt Erstautor Philip Wiseman von der University of Southampton. „Aber dieses Ereignis dauerte mehr als zwei Jahre – das war schon auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich.“
Energiereicher als alles zuvor Bekannte
Noch ungewöhnlicher ist die enorme Energie, die das Ereignis freisetzte: Schon das anfängliche Aufstrahlen hatte eine Energie von 7 x 1045 Erg pro Sekunde. „Insgesamt setzte AT2021lwx eine Energiemenge von 1,5 x 1052 Erg frei – beides ist mehr als bei jedem anderen transienten Ereignis“, berichten die Astronomen. In die gängigere Energieeinheit Joule umgerechnet entspricht die gesamte Energiefreisetzung der gigantischen Menge von1,5 x 1045 Joule.
„AT2021lwx ist damit mehrere Größenordnungen heller als jede bekannte Supernova und zehnmal heller als das extreme Tidal Disruption Event ASASSN15-lh“, so Wiseman und seine Kollegen. Im Vergleich zu durchschnittlichen TDEs ist dieses Ereignis sogar gut 100-mal energiereicher. Sie übertrifft auch die helle Strahlung der meisten Quasare.
Weder Hypernova noch TDE
Doch was war die Ursache dieses so rätselhaft langanhaltenden Mega-Ausbruchs? „Der glatte und langsame Anstieg, das lange Nachleuchten und die spektrale Farbentwicklung ähneln superluminösen Supernovae“, schreiben Wiseman und sein Team. Solche Hypernovae ereignen sich, wenn extrem massereiche Sterne oder Magnetare explodieren. Allerdings sei die von AT2021lw freigesetzte Energie so hoch, dass ein unrealistisch schwerer Stern explodiert sein müsste, so die Astronomen.
Eine zweite Möglichkeit wäre das Zerreißen eines Sterns an einem supermassereichen Schwarzen Loch. „Die Spektren von AT2021lwx unterschieden sich aber von den typischer Tidal Disruption Events“, berichten die Forschenden. Während bei TDEs typischerweise neben Wasserstofflinien auch spektrale Signaturen anderer Elemente wie Helium und Eisen auftreten, war dies bei dieser Explosion nicht der Fall.
Ist es ein Quasar?
Könnte es sich bei dem Ereignis um das vorübergehende Aufleuchten eines Quasars handeln? „Bei einem Quasar sehen wir häufiger ein Aufleuchten und Abschwächen im Laufe der Zeit“, erklärt Koautor Mark Sullivan von der University of Southampton. Deshalb suchten die Astronomen in Archivdaten verschiedener Teleskope nach Hinweisen auf einen schon früher existierenden Quasar an dieser Stelle. „Aber es gab dort nichts, bevor AT2021lwx plötzlich mit dieser enormen Helligkeit aufstrahlte – das ist beispiellos“, so Sullivan.
Allerdings fanden die Astronomen spektrale Hinweise darauf, dass ähnlich wie bei einem Quasar ein supermassereiches Schwarzes Loch an dem Geschehen beteiligt sein könnte. „Wir haben zwar keine Belege für die Aktivität eines aktiven Galaxienkerns, aber es gibt im nichtthermischen Röntgenbereich Hinweise auf eine heiße Korona oder einen Jet und die Präsenz großer Mengen an Staub“, berichten Wiseman und sein Team. Zudem zeigt das Spektrum eine sich extrem schnell bewegende Komponente und einen langsameren Anteil.
Schwarzes Loch vertilgt gigantische Gaswolke
Nach Ansicht von Wiseman und seinem Team deutet all dies darauf hin, dass der enorme Ausbruch durch eine ungewöhnlich umfangreiche, aber nicht feste „Mahlzeit“ eines Schwarzen Lochs verursacht wurde. „Die spektralen und photometrischen Merkmale dieses Ereignisses sprechen für die plötzliche Akkretion einer großen Menge Gas, wahrscheinlich einer gigantischen Molekülwolke“, erklären sie.
Demnach geriet in acht Milliarden Lichtjahren Entfernung eine solche, tausende von Sonnenmassen schwere Wolke aus dichtem, kaltem Gas in die Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs und wurde von diesem auseinandergerissen. Das Material heizte sich dabei extrem auf und gab dabei Energie in Form der starken Strahlung ab, während es nach und nach vom Schwarzen Loch verschlungen wurde. Dies verursachte Schockwellen, die zu den Strahlenemissionen beitrugen.
Die Astronomen hoffen, diese Hypothese durch weitere Beobachtungen in verschiedenen Wellenlängenbereichen erhärten zu können. „Es könnte sein, dass solche extrem seltenen Ereignisse Schlüsselprozesse für die Entwicklung von Galaxienzentren im Laufe der Zeit sind“, sagt Wiseman. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2023; doi: 10.1093/mnras/stad1000)
Quelle: University of Southampton